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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Hoheiten.«
    Es dauerte einen Moment, bis Briony verstand, was er da sagte. Dann stand ihr plötzlich das spöttische, hübsche Gesicht des Gesandten vor Augen. »Dieser Dawet ...!« Sie wollte sehen, wie sie ihm die Haut abzogen. Wie er bei lebendigem Leib verbrannte.
    »Nein«, sagte Brone. »Er hat sein Quartier die ganze Nacht nicht verlassen. Und auch niemand von seinem Gefolge. Wir haben sie bewachen lassen.«
    »Aber ... wer dann?« fragte Briony, doch im selben Moment dämmerte es ihr.
    »Shaso?« Barricks Stimme klang seltsam gepreßt, angstvoll und irgendwie erregt zugleich. »Soll das heißen ...
Shaso
hat unseren Bruder umgebracht?«
    »Wir wissen es nicht mit Sicherheit«, sagte der Konnetabel. »Wir müssen zu ihm gehen und ihn zur Rede stellen. Aber er ist ein verdienter Würdenträger von Südmark und ein geachteter Freund Eures Vaters. Ihr beide müßt dabei sein.«
    Als Brone sie durch den Flur in Richtung Waffenkammer führte, marschierten die Wachsoldaten hinterher, mit harten Gesichtern, die Augen von den Helmen verschattet. Der Hierarch und Merolanna kamen nicht mit. Sie machten sich auf den Weg zur Familienkapelle, um dort zu beten.
    Was geht hier vor?
fragte sich Briony.
Steht denn plötzlich die ganze Welt kopf? Shaso?
Das konnte nicht wahr sein — jemand mußte den Dolch des alten Mannes gestohlen haben. Aber warum mußte es überhaupt Shasos Dolch sein? Es fiel ihr schwer, an Chavens Erkenntnissen zu zweifeln, aber bestimmt gab es eine andere Erklärung — auf den Märkten drunten am Wasser waren doch sicherlich Dutzende von Tuani-Dolchen erhältlich. Doch als sie das Barrick ins Ohr flüsterte, schüttelte er nur den Kopf. Als hätte er sich seine gesamten brüderlichen Gefühle aus dem Leib geweint, sah er sie kaum an.
    Barmherzige Zoria, wird er jetzt ein zweiter Kendrick? Wird er mich diesem Ludis schicken, weil es das beste für das Königreich ist?
Ein kalter Schauer überlief sie.
    In der Waffenkammer warteten drei Wachen vor der Tür zu Shasos Gemach. »Er ist nicht herausgekommen«, sagte einer und guckte dabei ins Leere, sichtlich unsicher, ob er sich direkt an den Konnetabel oder an seinen Hauptmann, Vansen, wenden sollte. »Aber wir haben eigenartige Geräusche gehört. Und die Tür ist verriegelt.«
    »Brecht sie auf«, sagte Brone und wandte sich dann an die Zwillinge. »Wenn Ihr bitte zurücktreten würdet, Hoheiten.«
    Ein halbes Dutzend Tritte bestiefelter Füße, und der Riegel drinnen brach heraus. Die Tür schwang auf. Die Wachen drangen mit vorgehaltener Hellebarde ein, wichen aber sofort wieder zurück. Eine dunkle Silhouette erschien in der Tür wie ein monströser Geist aus der Unterwelt.
    »Nur zu, tötet mich«, knurrte das Monster, aber seine Stimme klang seltsam verwaschen. Einen Moment lang dachte Briony, Shaso wäre wirklich von irgendeinem Dämon besessen, einem, der noch nicht gelernt hatte, den usurpierten Körper zu benutzen, denn der Waffenmeister schwankte von einem Türpfosten zum anderen, konnte sich nicht senkrecht halten. »Ich bin wohl ... ein Verräter. Also tötet mich. Wenn ihr könnt.«
    »Er ist betrunken«, sagte Barrick langsam, als wäre das die größte Überraschung, die diese Nacht gebracht hatte.
    »Ergreift ihn«, rief Avin Brone. »Aber Vorsicht — er ist gefährlich.«
    Briony konnte es einfach nicht glauben. »Tut ihm nichts! Faßt ihn lebend. Ihr müßt ihn lebend ergreifen!«
    Die Wachen rückten vor, trieben Shaso mit den Pikenspitzen ihrer Hellebarden wieder nach drinnen. Briony sah, daß der Raum hinter ihm ein wildes Chaos war: das Bettzeug zerfetzt am Boden, der Schrein in der einen Ecke kurz und klein geschlagen.
Er muß verrückt sein oder krank.
»Tut ihm nichts!« rief sie wieder.
    »Wollt Ihr diese Wachen zum Tode verurteilen?« knurrte Avin Brone. »Dieser alte Mann ist immer noch einer der grimmigsten Kämpfer auf Erden.«
    Briony schüttelte den Kopf. Ihr blieb nur, gemeinsam mit Barrick zuzusehen, wie die Wachen Shaso zu überwältigen versuchten. Barrick hatte recht, der Mann war eindeutig betrunken oder aus irgendeinem anderen Grund nicht ganz bei sich, aber selbst unbewaffnet war er noch furchteinflößend genug.
    Doch Shaso blieb nicht lange unbewaffnet. Er entriß einem der Wachsoldaten die Hellebarde, stieß dem Mann das stumpfe Ende vor den Schädel, schwang es dann gegen den Helm eines anderen Wachsoldaten, der in die Bresche springen wollte. Jetzt lagen bereits zwei Wachen am Boden. Der Raum war zu klein,

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