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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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finden.«
    »Was? Wie meinst du das?«
    Seine Schwester faßte ihn am Arm und zog ihn einen weiteren Gang entlang. Erst als sie vor der Tür der alten Vorratskammer standen, begriff er. »Hier waren wir nicht mehr seit ... seit Ewigkeiten.«
    Sie fischte einen Kerzenstummel von einem Bord gleich hinter der Tür, entzündete ihn an einem der Wandleuchter auf dem Gang. Als sie die Tür hinter sich zugezogen hatten, sah Barrick im Licht der Kerze, die jetzt wieder auf dem Bord stand, all die vertrauten Schatten, die er einst so gut gekannt hatte wie die Form seiner eigenen Fingerknöchel.
    »Warum sind wir nicht in den Tempel gegangen?« fragte er. Er fürchtete sich schon fast vor der Antwort. So hatte er seine Schwester noch nie erlebt.
    »Weil sie uns finden würden. Gailon, der Hierarch, alle. Und dann würden sie uns zwingen.« Ihr Gesicht war blaß, aber von beschwörender Intensität. »Verstehst du denn nicht?«
    »Was gibt's da zu verstehen? Kendrick ... Briony, sie haben Kendrick getötet! Jemand hat Kendrick umgebracht.« Er schüttelte den Kopf, versuchte logisch zu denken. »Aber wer?«
    Die Augen seiner Schwester glänzten von Tränen. »Das ist doch egal! Ich meine, natürlich ist es nicht egal, aber begreifst du denn nicht? Ist dir nicht klar, was passieren wird? Sie werden dich zum Prinzregenten machen und mich nach Hierosol schicken, damit ich Ludis Drakava heirate. Jetzt werden sie's erst recht tun. Sie haben schreckliche Angst — sie würden alles tun, um Vater zurückzukriegen.«
    »Da sind sie nicht die einzigen.« Barrick kam nicht mit: Briony dachte so rasend schnell, als ob sie sich in einen reißenden Fluß geworfen hätte, während er am Ufer im Schlamm feststeckte. Barrick konnte überhaupt nicht denken. Es war, als ob die Albträume, die ihn im Schlaf verfolgt hatten, jetzt auch sein Wachleben übernommen hätten. Jemand mußte alles wieder in Ordnung bringen. Es erstaunte ihn selbst, sich das sagen zu hören, aber in diesem Moment stimmte es: »Ich will auch, daß Vater zurückkommt. Ich will ihn wiederhaben.«
    Briony wollte etwas sagen, aber ihre Unterlippe zitterte. Sie setzte sich auf den staubigen Fußboden der Vorratskammer und schlang die Arme um die Knie. »Armer ... K-Kendrick!« Sie kämpfte gegen die Tränen an. »Er war so kalt, Barrick. Schon bevor ... schon vor dem Ende. Er hat vor Kälte gezittert.« Sie schniefte, preßte den Kopf auf die Arme.
    Barrick sah an die Decke, die im flackernden Kerzenschein wie Wasser flimmerte, Er wünschte, sie wären auf einem Fluß, Briony und er, und trieben davon. »Hier haben wir uns immer versteckt, als wir klein waren, weißt du noch? Er wurde immer so wütend, wenn er uns nicht finden konnte. Und es hat so oft geklappt!«
    »Auch nachdem Tante Merolanna es ihm verraten hatte, hat er's immer wieder vergessen.« Sie hob den Kopf, sah ihn mit einem schiefen Grinsen an. »Immer die Gänge rauf und runter: ›Barrick! Briony! Ich sag's Vater!‹ Er war ja so wütend!«
    Sie verstummten für eine Weile, lauschten einem Phantom-Echo.
    »Aber was sollen wir machen? Ich will nicht der verdammte Prinzregent sein.« Barrick dachte nach. »Wir können weglaufen. Wenn wir nicht mehr hier sind, können sie mich nicht zum Prinzregenten machen und dich nicht Ludis geben.«
    »Aber wer soll dann Südmark regieren?«
    »Soll Avin Brone es doch tun. Oder dieser Tugendbold von Gailon. Bei den Göttern, der will es doch.«
    »Ein Grund mehr, es zu verhindern. Schwester Utta sagt immer, Menschen, die nach Macht streben, sind die letzten, denen man sie anvertrauen sollte.«
    »Aber sonst will sie doch keiner.« Er hockte sich neben sie. »Ich will nicht Prinzregent werden. Außerdem, wieso nicht du? Du bist doch älter.«
    Trotz ihres Elends mußte Briony lächeln. »Du bist so ein verschlagener Kerl, Barrick. Das ist das erste Mal, daß du das zugibst. Und es waren sowieso nur ein paar Augenblicke.«
    Barrick ließ sich erschöpft zurücksinken. Er konnte nicht zurücklächeln. Eine tödliche Müdigkeit strömte durch seine Gliedmaßen, in sein Herz und seinen Kopf, vernebelte sein Denken. »Ich will sterben, das will ich. Mit Kendrick gehen. Das ist viel leichter als Weglaufen.«
    »Sag das nicht!« Briony packte ihn am Arm und beugte sich vor, bis ihr Gesicht nur eine Spanne von seinem entfernt war. »Wag es nicht, auch nur dran zu denken, mich allein zu lassen.«
    Beinahe hätte er es ihr gesagt — hätte er das Geheimnis preisgegeben, das er schon so

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