Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Herr, aber das war nicht die Todesursache. Schaut Euch sein Gesicht an.«
    Brone musterte den zweiten Leichnam mit zusammengekniffenen Augen. »Was ist mit seinem Auge?«
    »Etwas Spitzes hat es durchbohrt, Herr. Und ist tief in den Schädel gedrungen, wenn ich es richtig sehe.«
    Avin Brone pfiff überrascht durch die Zähne und richtete sich so schwerfällig auf wie ein Bär, der im Frühling aus seiner Höhle taumelt. »Wenn es kein Trupp von Meuchlern war, heißt das, es war nur
ein
Mörder? Er muß ein hervorragender Kämpfer sein, unser Mörder, um zwei gepanzerte Männer zu töten. Und Kendrick ist auch nicht gerade ungeschickt mit dem Schwert.« Über seine eigenen Worte erschrocken, machte Brone das Zeichen gegen das Böse.
»War
nicht ungeschickt. Hatte er noch Gelegenheit, zur Waffe zu greifen?«
    »Wir haben noch keine Spur von einer anderen Waffe entdeckt als denen der Wachen.« Er dachte kurz nach. »Vielleicht wurde der Prinz ja als erster angegriffen. Vielleicht hatte er die Wachen ja auch mit irgendeinem Auftrag weggeschickt, so wie seine übrigen Diener, und als sie zurückkamen, ertappten sie den Mörder auf frischer Tat.«
    Brone wandte sich Chaven zu, der jetzt das goldene Tuch weggezogen hatte und den Leichnam untersuchte. Der Prinzregent sah bereits aus wie eine Grabfigur, dachte Ferras, so kalt und weiß wie Marmor. »Habt Ihr schon eine Vermutung, was ihn umgebracht hat?« fragte der Konnetabel.
    Der königliche Leibarzt sah auf; sein rundliches Gesicht wirkte verstört. »Oh, ja. Oder besser gesagt, ich kann Euch zeigen, woran er gestorben ist. Kommt her und schaut.«
    Ferras und der Konnetabel traten ans Bett. Jetzt war es Ferras, der hilflos das Zeichen gegen das Böse machte — die Faust um den Daumen schloß, damit ihn Kernios, der Totengott, nicht bemerkte. Er hatte seit seiner Kindheit eine Menge Menschen gesehen, die eines gewaltsamen Todes gestorben waren, aber diese Geste hatte er, solange er denken konnte, nie gemacht.
    Mit dem bleichen Gesicht und dem strohblonden Haar sah der Prinz seiner Schwester bestürzend ähnlich — Ferras war es plötzlich unangenehm, auf seine hilflose Nacktheit zu blicken, obwohl er Kendrick etliche Male nach einer langen, staubigen Jagd ein Bad im Fluß hatte nehmen sehen. Die Arme des Toten waren mit flachen, inzwischen vom Blut gereinigten Schnitten übersät — Abwehrwunden. Auch von Brust und Bauch war das Blut abgewischt worden, aber das änderte nichts an der Gräßlichkeit dieser Wunden, eines halben Dutzends klaffender Schlitze, die an den Rändern leichenfahl, tiefer drinnen aber von einem schrecklichen Rot waren.
    »Kein Schwert«, sagte der Konnetabel nach kurzem Schweigen. Sein Atem ging etwas schwer, als ob ihm der Anblick mehr zusetzte, als er sich anmerken ließ. »Ein Messer?«
    »Möglich.« Chaven zog die Augenbrauen zusammen. »Vielleicht ein Krummdolch — seht Ihr, daß die Schnitte am einen Ende weiter klaffen ...?«
    »Ein Krummdolch?« Brones buschige Augenbrauen hoben sich. Er sah Ferras an, dessen Herz vor Schreck schneller schlug. »Ich weiß, wer so ein Messer hat«, sagte er. »Das wissen wir alle«, sagte der Konnetabel.

    Barricks Kopf fühlte sich hohl an. Das Rascheln der Decke, die Briony um ihr Nachtgewand geschlungen hatte, das Patschen seiner eigenen bloßen Füße, das Flüstern der Leute auf dem Gang, das alles toste in seinem Schädel wie Meeresrauschen in einer Muschel. Es fiel ihm schwer zu glauben, daß das alles Wirklichkeit war.
    »Prinz Barrick«, rief jemand — einer der Pagen. »Ist er wirklich tot? Ist unser Herr Kendrick wirklich tot?«
    Barrick traute sich nicht, etwas zu sagen. Nur die fest zusammengebissenen Zähne schützten ihn vor einem Tränenausbruch, wenn nicht gar Schlimmerem.
    Briony wedelte die Leute beiseite. Sie belagerten jetzt den Hierarchen mit Fragen, weshalb er nur langsam vorwärtskam. Am Ende des Gangs wandten sich die Zwillinge in Richtung Erivor-Kapelle, doch am nächsten Quergang bog Briony rasch in die falsche Richtung ab.
    »Nein, da lang«, sagte Barrick mechanisch. Seine arme Schwester, verlief sich im eigenen Haus.
    Sie schüttelte den Kopf und ging weiter, bog dann wieder ab.
    »Wo willst du hin?«
    »Nicht in die Kapelle.« Ihr Ton war seltsam leicht, als wäre nichts Ungewöhnliches geschehen, aber als sie ihn ansah, war da in ihren Augen eine so völlige Leere, etwas, das Barrick an ihr gar nicht kannte und das ihm angst machte. »Dort würden sie uns nur

Weitere Kostenlose Bücher