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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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war, sich ihrer aber erst jetzt zu entsinnen schien.
    »Entschuldige, Kloe. Das war unhöflich von mir.«
    Besänftigt kam sie hinter einem Vorhang hervor und streckte sich. Sie war gefleckt wie eine Pardelkatze, aber ganz in Grau und Schwarz, mit einer Spur Weiß um die Augen. Chaven wußte nicht warum, aber er fand sie schön. Er schnippte wieder mit den Fingern, und sie kam zu ihm, gerade langsam genug, um zu demonstrieren, wer hier der Bedürftigere war. Doch als er sie unterm Kinn kraulte, vergaß sie sich soweit, zu schnurren.
    »Komm«, sagte er und gab der Katze das letzte Stückchen Dörrfisch, ehe er sie hochhob. »Wir haben zu tun.«
     
    Es war ein Raum, den außer Chaven kein lebender Bewohner der Südmarksfeste je gesehen hatte, eine kleine, dunkle Kammer tief unterm Observatorium, an jenem Gang, durch den er den Funderling Chert und dessen seltsames Findelkind eingelassen hatte. Eine Wand war, von dicht überm Steinfliesenboden bis knapp unter die niedrige Decke, mit Borden versehen, und auf jedem dieser Borde waren mit dunklen Tüchern verhüllte Objekte aufgereiht. Nachdem Chaven die Tür hinter sich zugezogen und verriegelt hatte, stellte er seinen Kerzenleuchter ab und ergriff dann einen Gegenstand, der zu groß für die Wandborde war und daher an der Wand gelehnt hatte. Kloe schnupperte einmal kurz den Raum ab, sprang dann auf eins der oberen Borde und rollte sich zusammen. Ihre Augen funkelten wachsam.
    Er nahm vorsichtig das Samttuch ab und klappte die hölzernen Flügel auf, damit der Spiegel frei stehen konnte. Es war einer seiner größten Spiegel: Vom Boden ging er dem Arzt fast bis zur Taille.
    Chaven setzte sich vor dem Spiegel auf die Steinfliesen und starrte eine ganze Weile wortlos in das Spiegelglas. Das Kerzenlicht verzerrte die Dinge wunderlich und ließ sie lange, wackelnde Schatten werfen: Wenn sich da tatsächlich etwas in der Tiefe des Spiegels bewegte, hätte jeder Betrachter eine Zeitlang gebraucht, um sicherzugehen.
    Lange saß Chaven schweigend da. Schließlich sagte er, ohne den Blick vom Spiegel zu wenden: »Kloe? Komm jetzt her, meine Schöne, komm.«
    Die Katze streckte sich, sprang dann vom Bord und tigerte langsam zu ihm hinüber. Als sie neben ihm stehenblieb, tippte er mit dem Zeigefinger auf den Spiegel.
    »Siehst du das? Schau, da, Kloe! Eine Maus!«
    Das stumpfnasige, grau-schwarze Gesicht dicht vor der Spiegelscheibe, starrte sie hinein. Ihre Ohren zuckten. Da bewegte sich tatsächlich etwas in der dunklen Kammerecke, aber nur im Spiegel. Auch Chaven starrte auf diesen Fleck, so reglos, als wagte er nicht zu blinzeln oder auch nur zu atmen. Seltsamerweise spiegelte das Glas weder die Katze noch den Arzt, nur den Raum hinter ihnen.
    Plötzlich sprang Kloe. Einen Moment schien es, als dränge ihre Tatze tatsächlich durch die Spiegeloberfläche, aber dann fauchte das Tier frustriert, als hätte es nur kaltes Glas erwischt. Chaven nahm Kloe hoch, streichelte sie, entriegelte dann die Tür und setzte die Katze auf den Gang hinaus.
    »Wart auf mich.«
    Geprellt — worum genau war schwer zu sagen —, maunzte Kloe ärgerlich.
    »Hier drinnen würde es dir nicht gefallen«, erklärte er ihr, während er die Tür schloß. »Und ich fürchte, diese Maus würdest du sowieso nicht kriegen.«
    Er setzte sich wieder vor den Spiegel. Die Kerze schien jetzt herunterzubrennen, denn es wurde rasch dunkler im Raum. Alles, was der Spiegel noch zeigte, waren die Wände und ein kleines dunkles Bündel auf dem Spiegelbildboden, gleich vorn an der Scheibe.
    Chaven sang etwas in einer sehr alten Sprache, schwieg eine Weile, sang noch ein bißchen weiter. Er saß da und starrte auf das kleine, dunkle Etwas. Er wartete.
    Als sie erschien, war es wie ein jähes Aufflammen, eine Explosion von weißem Licht. Trotz seiner starken, geschulten Nerven entfuhr Chaven ein leiser Überraschungslaut. Federn glänzten und schimmerten in der Tiefe des Spiegels, als sie die tote Maus mit einem krallenbewehrten Fuß packte und sich dann herabbeugte, um die Opfergabe mit dem spitzen Krummschnabel zu fassen. Einen Augenblick hing der Schwanz wie ein Faden herab, dann war die Schattenmaus hinuntergewürgt, und mit Augen wie aus geschmolzenem Kupfer starrte die riesige weiße Eule aus dem Spiegel.

    »Das versteh ich nicht«, sagte Klein-Flint mißmutig. »Ich mag die unterirdischen Gänge. Warum müssen wir hier oben langgehen?«
    Chert drehte sich um, um sich zu vergewissern, daß der Funderlingstrupp in

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