Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
nur, das müsse jetzt sein. Und unser Dieter hat jetzt keinen Fernseher mehr.«
»Gehen wir erst einmal hinein«, sagte Krause unglücklich. Er hatte gar nicht an Dieter gedacht.
Im Wohnzimmer waren zwei weitere Männer im Blaumann an der Arbeit, einer von ihnen lag auf dem Rücken unter einer Truhe und beschwerte sich laut: »Verdammt, dieser Anschluss hier ist nicht sauber, da brauchen wir eine neue Buchse.«
In seinem Sessel saß Sowinski, rauchte einen Zigarillo und bestimmte: »Wir legen die ständige Leitung unter der Tür durch in den Garten, alles andere machen wir digital und gehen bei der Alarmleitung über Funk.«
»Das ist ja furchtbar«, sagte Krause matt. »Geht es nicht einfacher?« Sein Wohnzimmer sah aus wie eine Baustelle.
»Auf keinen Fall«, entgegnete Sowinski. »Ich habe meine Vorschriften.«
»Und Dieter?«, fragte Wally aufgebracht. »Er braucht doch den Fernseher für seine Märchen.«
»Da müssen wir für diesen Zeitraum eine andere Lösung suchen«, antwortete Sowinski.
»Wo ist denn Dieter?«, fragte Krause.
»Oben in der Mansarde«, antwortete seine Frau. »Und er wollte eben schon Schneewittchen anschauen.«
Dieter war das Kind, das sie nie hatten. Er war ein junger Mann, der Wally von einem privaten Verein stundenweise zur Pflege anvertraut worden war. Dieter war ein Spastiker, der als multibehindert geführt wurde, den es ununterbrochen schüttelte, der keine Sprache hatte außer wilden, unartikulierten Lauten, der nicht in der Lage war, irgendetwas an seinem Körper zu kontrollieren, für den eine Treppe mit sechs Stufen ein nicht überwindbares Hindernis war. Wally war Mitglied in diesem Verein, zusammen mit der Frau von Esser, die die Patenschaft für eine junge Frau übernommen hatte. Irgendwann hatten die beiden wütend festgestellt: Unsere Männer haben nie Zeit, weil sie tagtäglich die Welt retten müssen, also wenden wir uns denen zu, die unsere Hilfe wirklich brauchen.
»Das geht so aber wirklich nicht, Sowinski«, stellte Krause hilflos und leise fest. »Dann muss der Fernseher sofort im Gästezimmer aufgebaut werden. Und für Dieter muss der Sessel, in dem du jetzt sitzt, auch da rauf.«
»Jawoll!«, sagte Sowinski resignierend. »Ach, wie schön waren doch die Zeiten, als du in einem normalen Büro gearbeitet hast. Aber ich habe dir einen Zettel gemacht, auf dem genau beschrieben steht, was du mit welchem Gerät machen kannst oder sollst oder könntest.«
»Das ist fein«, murmelte Krause.
»Und noch etwas«, sagte Sowinski leichthin, »vielleicht gehen wir mal eben in die Küche.«
»Jetzt auch noch die Küche?«, fragte Wally empört. Sie war eine kleine, schmale Frau mit feuerrot gefärbten Haaren, und sie war stinksauer darüber, was diese eigentlich völlig fremden Männer mit ihrem Haus anstellten. Denn das Haus war ihr Haus, und ihr Mann kam normalerweise nur gelegentlich zum Schlafen vorbei.
»Nur für drei Sekunden«, sagte Sowinski entschuldigend. Er stand auf und ging in die Küche.
Krause folgte ihm brav.
»Wir haben Müller verloren«, flüsterte Sowinski. »Wir können die Handys nicht mehr orten.«
»Was heißt das genau?«, fragte Krause.
»Es gibt die drei Geräte nicht mehr, die er normalerweise mit sich herumträgt«, sagte Sowinski. »Irgendetwas ist passiert, und wir wissen nicht, was.«
»Wissen wir, wo er zuletzt war?«
»Ja, er hat Quelle Sechs in dessen verlassenem Haus gesucht. Das war laut Ortszeit etwa um 16.30 Uhr. Wir können aber nicht ausschließen, dass sich dort andere Personen versteckt hielten, dass also irgendetwas passiert ist.«
»Ist das eine technisch erklärbare Panne?«
»Nein«, sagte Sowinski. »Leider nicht. Wir können diese sehr speziellen Handys anpeilen. Das ist jedoch nur möglich, wenn alle drei funktionstüchtig sind. Das erledigt Goldhändchen ein paarmal am Tag, reine Routine. Wenn das nicht mehr funktioniert, sind diese Handys aller Wahrscheinlichkeit nach zerstört. Das würde aber bedeuten, dass der Zerstörer dieser Geräte weiß, dass es sich um eine sehr spezielle Technik zum Schutz von Müller handelt. Und ehrlich gesagt: Darüber würde ich im Augenblick nicht gern nachdenken wollen.«
Krause stand an den Eisschrank gelehnt und hielt die Augen geschlossen. Er war grau im Gesicht, und seine Kieferknochen zeichneten sich scharf ab.
»Wir sollten uns vielleicht eine Frist setzen. Sagen wir sechs Stunden. Danach reagieren wir.«
»Und wie?«, fragte Sowinski.
»Wir schicken Dehner«,
Weitere Kostenlose Bücher