Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
entschied Krause. »Ist er einsatzfähig?«
»Ist er. Er war in Tirana und schreibt gerade seine Memos.«
»Schickt ihn hin, wenn sich die Lage bis dahin nicht verändert hat. Und mach hier mehr Tempo, ich habe sonst für Monate die Pest am Hals.«
»Willst du Svenja noch heute Abend sehen?«
»Um Gottes willen, nein. Mir reicht das Durcheinander hier.«
»Es wäre aber verdammt wichtig. Nur ein paar Minuten lang.«
»Na gut, aber erst in einer Stunde. Und schaff diesen saublöden Fernseher ins Gästezimmer, und den Sessel und die DVD s mit den Märchen.«
»Wird gemacht«, sagte Sowinski genervt und dachte gleich zeitig: Ich mache alles, damit ich so schnell wie möglich aus diesem Irrenhaus hier rauskomme.
Wally kam mit beängstigender Geschwindigkeit in die Küche geschossen. »Und sie haben den Teppich versaut. Und draußen am Haus sind überall Strippen.« Dann wandte sie sich wütend an ihren Mann: »Könntest du mir das wenigstens erklären?«
»Aber ja doch«, antwortete er verkniffen. »Ich habe vorübergehend gekündigt.«
»Du hast was?«
»Das nicht auch noch«, flüsterte Sowinski und glitt durch die halb offene Tür in die Freiheit.
»Ich werde es gleich erklären«, sagte Krause. »Lass die Männer das erst mal zu Ende machen.«
Die Techniker waren allerdings erst nach einer weiteren vollen Stunde fertig. Dann stand Wally im Wohnzimmer und sagte aufgebracht: »Jetzt sieh dir bloß mal an, was die aus meinem Wohnzimmer gemacht haben. Da, wo der Fernseher stand, ist jetzt ein Loch. Und dein Sessel ist weg, und im Übrigen …«
»Wally«, sagte ihr Mann gefährlich leise. »Ich habe im Moment für deine empörte Hausfrauenseele einfach keine Zeit. Ich habe andere Sorgen, glaub mir. Und die gehen weit über Dieter und Fernseher und Märchen hinaus. Und jetzt hörst du mir bitte einmal zu, ja?« So hatte er noch nie mit ihr geredet.
Sie betrachtete ihn kritisch, dann spürte sie, dass er stinksauer war, aber auch, dass dieser Zustand nicht das Geringste mit ihr zu tun hatte. Sie sagte: »Also, die vorübergehende Kündigung bitte.«
Krause hatte seiner Frau in all den Jahren ihrer Ehe so gut wie nichts aus dem Dienst berichtet, weder von den großen Dingen noch von den kleinen. Und Wally hatte gelernt, damit zu leben.
»Wir haben ein U-Boot im Dienst, nehme ich an«, stieß er schließlich wütend hervor.
»Ach ja? Mann oder Frau?«, fragte sie sofort sachlich.
»Bisher Mann.«
»Und wer hat das U-Boot geschickt?«
»Das wissen wir nicht. Noch nicht. Aber da ist noch etwas anderes. Der Müller, einer meiner besten Leute, ist verschwunden.«
»Und wo?«
»In Tripolis, Nordafrika.«
»Da war doch der Gaddafi«, sagte sie.
In dem Moment schellte es an der Tür.
»Ich erwarte niemanden«, beteuerte sie mit großen Augen.
»Ich auch nicht«, sagte Krause. »Ach so, ja, Svenja.«
Wally warf ihrem Mann einen vernichtenden Blick zu und ging zur Haustür. »Guten Abend, meine Liebe. Kommen Sie doch durch, mein Mann erwartet Sie schon.«
Die ganze Situation erschien Svenja irgendwie bizarr.
Goldhändchen hatte angerufen und mitgeteilt, dass der Wagen für sie vor dem Haus stehe. Sie war hinuntergegangen und hatte einen Mercedes S 600 auf dem Gehsteig vorgefunden, eine ziemlich protzige schwarze Staatslimousine. Noch dazu mit einem Fahrer, der eilfertig aus dem Vehikel ausstieg und ihr den hinteren Schlag aufriss.
Svenja sagte entgeistert: »Du lieber Gott!«
»Dann wollen wir mal«, sagte der Fahrer und schaltete das Blaulicht auf dem Dach ein.
»Sind Sie sicher, dass Sie mich abholen wollen?«, fragte Svenja.
»Aber ja.« Der Mann nickte begeistert. »Klare Adresse.«
»Na denn.«
Die Fahrt verlief schnell, das Fahrziel allerdings kam ihr befremdlich vor: kleine Einfamilienhäuser mit winzigen Vorgärten und dem deutlichen Geruch von geordnetem Leben.
»Hier ist es«, sagte der Fahrer, rutschte von seinem Sitz, kam um das Vehikel herumgerannt und riss die Tür für Svenja auf. Dann deutete er auf das kleine Haus. »Sie müssen dort klingeln. Ich warte.«
Svenja ging durch die kleine hölzerne Pforte in einer niedrigen Buchsbaumhecke und stieg die drei Stufen zum Eingang hinauf. Kein Namensschild. Sie drückte auf den Klingelknopf.
Eine Frau mit einer ungebändigten feuerroten Mähne öffnete die Tür. Svenja wusste augenblicklich, dass es sich nur um Krauses Frau handeln konnte. Sie wusste, dass diese Frau einen Brustkrebs überlebt hatte, und sie wusste auch, dass es sich um
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