Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
bevor es unweigerlich dicke kommt.
»Ja, das wäre schön.«
Esser diktierte ihr die Nummer und verabschiedete sich mit den Worten: »Sie werden von uns hören, wenn Sie gebraucht werden.«
Svenja überlegte eine Weile, ob sie Müller im Hotel in Tripolis anrufen sollte. Es war jetzt siebzehn Uhr, in Tripolis eine Stunde später. Sie überlegte, was sie sagen könnte, aber sie fand keine Worte. Da ließ sie es sein.
Sie stand auf, ging ins Bad und duschte ausgiebig. Dann zog sie graue Jeans und einen leichten dunkelblauen Pullover an, dazu schwarze Slipper, eine schlichte weinrote Jacke, kein Schnickschnack, kein Make-up. Ehe sie die Wohnungstür hinter sich zufallen ließ, schickte sie die Memos vom Laptop auf die Anlage von Goldhändchen. Er würde dafür sorgen, dass sie auf den richtigen Computern landeten.
Sie schlenderte ein wenig durch die Straßen, sah sich Schaufenster an. Als sie plötzlich anfing zu frieren, schlug sie den Weg zu Bens Kneipe ein. Dort angekommen, setzte sie sich auf einen der hohen Hocker am Tresen.
»Hallo, Mädchen«, sagte Ben. »Was möchtest du?«
»Einen Sekt. Und hast du Soleier? Wenn ja, dann zwei, und eine Scheibe Schwarzbrot ohne alles.«
»Du hast Schatten unter den Augen.« Ben war geradezu unanständig dick, und er durfte so etwas sagen.
»Ich habe Schlafstörungen«, sagte Svenja. »Zu viel gearbeitet.«
»Willst du was zum Runterkommen?«
»Um Gottes willen, nicht so was.«
»Ich habe Zwanziger Valium, wenn du magst. Aber wenn ich dich so ansehe, stehst du wohl eher nicht auf so was.«
»Das ist richtig«, sagte sie. »Niemals Pillen.«
»Der Sekt, zwei Soleier, Essig, Öl, Senf, weißer Pfeffer«, murmelte Ben und stellte alles vor sie hin. Dann betrachtete er sie erneut. »Wo ist dein Kumpel?«
»Noch unterwegs, kommt später. War irgendwas Besonderes los hier?«
»Nein, eigentlich nicht«, sagte Ben. Dann warf er einen schnellen Blick in die Runde und beugte sich weit zu ihr vor. »Da ist ein Typ aufgetaucht, der nach dir gefragt hat. Vor zehn Tagen ungefähr. Er sagte, er will dich treffen, um dir einen Job anzubieten. Also, ich fand das schon ziemlich merkwürdig.«
»Was hast du ihm geantwortet?«
»Ich sagte: Ja, die Japanschickse ist öfter hier, das stimmt. Ich habe gesagt, dass ich dir Bescheid gebe. Ich habe auch gefragt, ob er eine Telefonnummer hinterlassen will. Aber das wollte er nicht.«
»Dann ist er auch nicht sauber«, sagte Svenja.
Sie schälte die hart gekochten Eier, zerschnitt sie in Hälften, nahm den Dotter heraus, gab Essig und Öl in die Kuhle, darauf Pfeffer, dann eine Messerspitze Senf, und setzte den halben Dotter wieder drauf.
»Das tut richtig gut«, sagte sie und schob sich die erste Hälfte in den Mund.
»Also, wenn du mich fragst, ist der Kerl garantiert nicht sauber«, sagte Ben.
»Wie sah er denn genau aus?«, fragte Svenja mit vollem Mund.
»Schwer zu beschreiben. Durchschnitt, mittelgroß, mit telschlank, mittelgekleidet, eben alles mittel. Um die vierzig.«
»Und für welchen Job will er mich?«
»Hat er nicht gesagt. Und wenn er wieder auftaucht? Was mache ich da?«
»Sag ihm einfach, ich bin umgezogen und du weißt nicht, wohin.« Svenja überlegte kurz, ob sie beunruhigt sein sollte, aber sie fand keinen logischen Grund dafür.
Ben war ihre Kneipe. Hier hatte Müller übermütig wie ein kleiner Junge einmal gesagt: »Einer von uns bleibt zu Hause, der andere gibt den Spion. Das ist die einzige Möglichkeit, unsere Beziehung zu retten.«
Er hat damals gar nicht geahnt, wie sehr er damit recht behalten sollte, dachte sie.
Sie blieb noch eine halbe Stunde und las leicht lächelnd in einer Hochglanzpostille, dass es schwer in Mode sei, sich das Schamhaar nicht nur zu rasieren, sondern Muster und Bögen und große Buchstaben einzuarbeiten. Als Bens Kneipe sich langsam füllte, bezahlte sie und ging.
Sie hatte die Wohnungstür gerade hinter sich geschlossen, als ihr Festnetztelefon klingelte.
Goldhändchen säuselte: »Kann es vielleicht sein, dass du mir den aktuellen Operationshintergrund von Müller geben kannst?«
»Was soll das denn, meine Schöne?«, reagierte sie gut gelaunt.
»Ich dachte, ich frage einfach mal. Hat er irgendetwas vergessen? Eines seiner Handys vielleicht?«
»Wieso fragst du mich das? Er hat eine eigene Wohnung. Wie oft müssen wir das denn noch erörtern?« Dann begriff sie plötzlich, und sie fragte entsetzt: »Ihr habt ihn verloren, nicht wahr? Stimmt das?«
»Ich kriege ihn
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