Die groeßten Faelschungen der Geschichte
Macht. Er blutete und darbte, von der reichen Mittelklasse abgesehen, die Voltaire las und Montesquieu, d’Holbach und Helvétius, Diderot und Rousseau – kurz Autoren, die neue und zum Teil revolutionäre Ideen verbreiteten.
Den dritten Stand, der politisch nichts zu sagen hatte, würde man heute in wenigstens fünf unterschiedliche Gruppierungen unterteilen:
Die Geschäftsbourgeoisie (= Unternehmer, Handelsbürger, Handelsherren, Fabrikbetreiber etc.) stand an der Spitze und verdiente zum Teil sehr viel Geld.
Die Gerichts- und Finanzbeamten (Anwälte, Notare) sowie die Ärzte verfügten ebenfalls über ein ausgezeichnetes Einkommen.
Journalisten und Schriftsteller, die vor allem in Paris in reicher Zahl lebten, machten die intellektuelle Elite aus und hungerten ebenfalls nicht, denn sie waren meist hoch gebildet.
Die Vertreter des Kleinbürgertums (Ladenbesitzer, Handwerker), Lohnempfänger (Dienstboten, Laufburschen) sowie Tagelöhner kämpften nicht selten um das nackte Überleben.
Am schlimmsten waren freilich die Bauern dran, die rund 30 Prozent der gesamten Bevölkerung ausmachten; als Pächter waren sie völlig entrechtet. 1
Sie alle galten nichts! Sie wurden missachtet und verachtet, konnten auf die Politik keinerlei Einfluss nehmen, wurden als drittklassige Menschen betrachtet. Ihr Stolz wurde verletzt, ihre Rechte mit Füßen getreten und sie selbst hochmütig als nebensächlich abgetan. Der dritte Stand wurde über die verschiedensten Steuern ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Der Adel dagegen (der zweite Stand) schlemmte –
und die Kirche (der erste Stand) war beim Thema Steuern ohnehin unglaublich begünstigt.
Gerade die Bürger, die vom Staat so verachtet wurden, sollten den Staat finanzieren. Der dritte Stand sollte bluten – und wurde im Gegenzug von oben herab behandelt. Die Aristokraten und die hohe Geistlichkeit begegneten ihm mit einer unvorstellbaren Arroganz. Wir lernen: Eine zu hohe und ungerechte Besteuerung kann eine Revolution auslösen.
Wiederholen wir, es ist zu wichtig: Die Bauern und die Arbeiter schufen einen Großteil des Wohlstandes, aber gerade sie wurden von zahlreichen Steuern und Abgaben geplagt, die vielleicht zu ertragen waren, wenn die Ernten gut ausfielen und es Arbeit und Brot gab. Aber im Jahre 1788 wüteten einige grausame Naturkatastrophen in Frankreich. Hitze und Dürre, Hagel und verheerende Überschwemmung und danach ein eiskalter Winter suchten das Land heim. Einem törichten Vertrag mit England war es außerdem zu verdanken, dass englische Waren den französischen Markt überschwemmten – und viele Franzosen arbeitslos wurden.
Zur gleichen Zeit verlustierte sich König Ludwig XVI., der über diesen drei Ständen gottgleich thronte, am liebsten auf der Jagd. Ludwig war klein, dick, hässlich und schüchtern (was man ihm vergeben mag), aber auch entscheidungsfaul und wenig intelligent in Sachen Politik (was schon schwerer wog). Zudem war er seiner Frau Marie Antoinette hörig, die sich ständig in Regierungsfragen einmischte und mehr Befehle erließ als so mancher Minister.
Besonders erboste es die Bevölkerung, dass Gesetze willkürlich ausgelegt wurden – mit einem lettre de cachet (= Haftbefehl) konnte der König den Gerichten jederzeit einen Fall entziehen. Ludwig XVI. gab darüber hinaus mit vollen Händen Geld aus und hatte einen riesigen Schuldenberg aufgetürmt. Allein 50 Prozent der Staatseinnahmen mussten für (Schuld-)Zinsen bezahlt werden! 25 Prozent des Staatshaushaltes verschlangen die Soldaten, 19 Prozent die Zivilverwaltung und immerhin noch 6 Prozent die königliche Hofhaltung.
Darüber hinaus hatte der französische Monarch heimlich den Unabhängigkeitskrieg in den USA finanziert, was weitere Kosten verursacht hatte. Und schließlich hatte sich der König auf einen dummen militärischen Wettlauf mit England um die Führungsrolle eingelassen; er war kurz gesagt selbstmörderisch, denn als der Krieg gegen England verloren wurde, drohte der Staatsbankrott.
Wir lernen zweierlei: Zu hohe Staatsschulden tragen zu Revolutionen bei. Und: Zu hohe (Militär-)Ausgaben können zum Untergang einer Regierung führen.
Neben dem König trieb der Herzog von Orléans (mit vollem Namen Louis Philippe II. Joseph von Orléans) sein Wesen oder Unwesen. Der Vetter des Monarchen versuchte, zumindest dem Gerücht zufolge, sich immer wieder des Thrones zu bemächtigen. Denn er hielt sich für ungleich gescheiter und fortschrittlicher als der König. Er
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