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Die große Verschwendung

Die große Verschwendung

Titel: Die große Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schoemel
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bescherte. Er kam gerade aus dem Keller, von seiner Kraftmaschine. Ein Umweg hatte ihn ins Badezimmer geführt, wo er, wie stets nach dem Training, als Belohnung für die Mühen seinen Oberkörper im Bestzustand betrachtet hatte. Ein wenig weichgezeichnet, hätte er sich in einem Hollywoodfilm zeigen können, gerade aus der Brandung und zurück zu seiner schönen jungen Geliebten kommend, die am Strand begattungsbereit auf ihn wartete. Allerdings genügte schon ein kurzer Rasierblick auf irgendeinen Ausschnitt seines Kopfes, und sogleich begann, auch ohne Kosmetikspiegel, die physiognomische Selbstvernichtung. Was er da sah, war eine durch nichts zu rechtfertigende Gesichtstopographie.
    Er hatte ein großes Glas Bergbauernmilch getrunken, und, weil es an diesem Abend gar keinen und in Zukunft sowieso sehr viel weniger Alkohol geben sollte, fünfundzwanzig Milligramm Opipramol eingenommen. Jetzt würde es noch eine halbe Stunde dauern, ehe die Wirkung einsetzte. Seinen Rechner hatte er übrigens Vorsehung genannt, er hatte es nicht lassen können, und jedes Mal, wenn Windows ihn fragte, ob er die Vorsehung ausschalten wolle, hatte er beim »Ja«-Klicken seinen kleinen, durch und durch männlichen Spaß. Stärker noch als sonst fieberte er dem Moment entgegen, in dem die Hoffnung auf »Neue Nachrichten« von der Außenwelt erfüllt oder enttäuscht wurde. Erst dann, als die Meldung »Keine neuen Nachrichten« erschien und als er seine dumpf und schwer im Bauch liegende Hoffnungslosigkeit registrierte, merkte er, auf was oder vielmehr auf wen er schon wieder oder immer noch gewartet hatte. Was war es eigentlich genau, das ihn so sehr beeindruckt hatte an dieser Frau, an dieser Adriana, so sehr, dass er sich dazu zwingen musste, von »dieser Frau« und von »dieser Adriana« zu denken? Eigentlich wollte er den Namen und die Person, die ihn trug, in einer Weise aussprechen und denken, als wären sie ihm seit Jahren nahe und vertraut. Was war es gewesen? Vielleicht, dass ihre gesamte Anwesenheit in der Welt derart zerbrechlich, schwebend und anrührend gewesen war, jedenfalls für den Betrachter Georg Glabrecht und dessen Gefühlsprozessoren?
    »Adriana«, sagte er jetzt probehalber, mit einer gewissen Entschlussfreudigkeit, ein wenig aus Protest und um einen Punkt zu setzen, um das leidige Thema zu beenden. Aber der Name klang, als sei er gestreichelt worden.
    Verärgert und in einer Art Übersprungshandlung ging Glabrecht ins Internet, prüfte die Index-Endstände der New York Stock Exchange und der Nasdaq . Auch das brachte nichts. Keineswegs lüstern, sondern betäubt und willensentleert wie nach einem Hieb auf den Kopf, klickte er anschließend eine der amerikanischen Pornoseiten an, die er gebookmarkt hatte. Es war erst wenige Monate her, dass in einem ZEIT -Artikel über Sex im Internet einige dieser Seiten mit unzähligen freien Pornovideos dokumentiert worden waren – ein Fund, der Glabrechts Leben durcheinander gebracht hatte. Die erste Zeit nach seiner Entdeckung hatte er häufig die halben Nächte hindurch vor dem Bildschirm gesessen, gefesselt und gequält durch diese Bilder, die ihm nicht mehr aus dem Kopf gingen, auch nicht, wenn er schlief: Die ganze Wirklichkeit eine einzige ausdehnungsbereite Fotze! Es war, als wäre eine Tür zur Hölle aufgegangen. Allerdings ließ der Effekt rasch nach. Bald wurde das alles ganz geläufig, immer stärkere Sensationen mussten her.
    Weil irgendetwas gegen Adriana und gegen die ganze Seelenwundheit unternommen werden musste, wählte er jetzt eines von diesen Hunderttausenden oder Millionen von Videos aus. Es war der Sieger des Monats Juli in der Onanistengunst, »Best rated in July«. »1 274 348« Zugriffe gab es bereits sowie zahlreiche begeisterte Rezensionen. Er klickte das Streaming-Video an, rückte sofort bis zur Filmmitte vor, um die nervigen Präliminarien zu überspringen, erschrak furchtbar, weil die Aktiv-Lautsprecher versehentlich eingeschaltet waren und ein lautes »Oh, yes, fuck me, fuck me harder!« losbrüllte, durch das offene Fenster in den Garten hinaus schallte und dem Frosch Konkurrenz machte. Rasch drosselte Glabrecht die Lautstärke. Es handelte sich um eine sehr junge dunkelhaarige Schönheit, auf deren Gesicht und Rumpf die Kamera derart hinunterblickte, als sei sie in die Augen des Fickenden eingebaut. Deswegen konnte Glabrecht sich sehr gut in diesen Mann hineinversetzen. Es irritierte ihn dabei gar nicht, dass es sich um einen Schwarzen

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