Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die große Verschwendung

Die große Verschwendung

Titel: Die große Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schoemel
Vom Netzwerk:
Glabrecht konnte sich solche Leute nicht leisten, obwohl sie ihn magisch anzogen. Ihre Zeit war vorbei.
    Andererseits, wenn das alles stimmte, wieso hatte ausgerechnet er eine Karrierestufe erreicht, die es ihm erlaubte, seinen ganzen Charakterextremismus, seine schwere innere Zerrüttung auf angenehme Weise zu verbergen? Die hiesige Tageszeitung, der Weser Kurier , hatte ihn einmal als höchst aggressiven Rhetoriker bezeichnet, der die Schwächen seiner Mitmenschen »messerscharf« erkenne. Sein beißender Spott sei gefürchtet. Glabrecht hatte das gern gelesen. Er vernahm es stets gern, wenn man monströse, nach vorne drängende und diktatorische Eigenschaften an ihm entdeckte. Irgendwann hatte ihn eine Journalistin sogar als »Frauentyp« bezeichnet. Stundenlang vermied er danach jeden Blick in den Spiegel, um sein Hochgefühl zu konservieren.
    Kein Zweifel: Hätte er sich von ganz unten hochdienen wollen – das wäre nie gelungen. Er war aber bereits von einer gewissen Machtstufe aus gestartet – in einer recht jungen Partei, die vom eigenen Erfolg überrannt worden war und Glabrechts brachiale Existenzschwäche nicht erkannt hatte. So war das auch bei einigen linksradikalen Gruppenfürsten, die plötzlich grüne Parlamentsabgeordnete wurden. Der Vorgang wiederholte sich nach der Wiedervereinigung innerhalb der PDS und im Moment bei den Linken. Auch Ökofundis, Quotenfrauen und lesbisch-feministische Rudelführerinnen waren durch plötzliche Zeitgeistverschiebungen übergangslos auf mittlere politische Machtstufen gelangt. Wichtig war, dass man sofort danach seinen Machiavelli las und sich dicke Eier zulegte, so, wie Fischer das getan hatte. Sobald man eine, zwei Hierarchiestufen unter sich hatte, sahen das Leben und die Karrierechancen ganz anders aus.
    Ö zeigte heute überraschend ein bisschen Sonnenbräune im Gesicht. Sie war nicht mit in Oslo gewesen. Offenbar hatte sie das Wochenende genutzt, um sich zu sonnen und zu pflegen. Beim Rasieren der Beine hatte sie sich wohl geschnitten, ein Pflaster klebte auf ihrem unbestrumpften Schienbein. Glabrecht ließ R von den Gesprächen in Oslo berichten, unterbrach ihn, wenn es galt, werbewirksame sprachliche Zuspitzungen für Ö zu formulieren. Ö schrieb eifrig mit, nickte, lächelte: Man war ein tolles Team! – Glabrechts Formulierungen würde sie in die Pressemeldung einbauen, er selbst würde die Sätze später in der Senatssitzung verwenden.
    Er sprach langsam aus, was er später lesen wollte: »Bürgermeister und Senat sind sehr glücklich darüber, dass Bremen auf seinem Weg zur wachsenden Stadt am Meer, zur maritimen Kreativmetropole einen Quantensprung getan hat. In Oslo ist der Durchbruch zu einer bislang beispiellosen Private-Public-Partnership gelungen. Mit einem geringen Anteil an öffentlichen Geldern wird ein weltweit beachteter kultureller Leuchtturm errichtet: Die Maritime Oper mit der Sea-World wird Wirklichkeit, eine architektonische und kulturelle Landmarke, die mit den Opern in Sydney und Oslo verglichen werden kann.«
    Ö, R und B1 schauten sich an. Stolz auf ihren gemeinsamen Chef und dessen Intelligenz lag in ihren Blicken. Glabrecht hatte übrigens keinen Zweifel daran, dass er Ö haben könnte, wenn er nur wollte. Jetzt, da ihre Beine braun waren, schauten sie gar nicht so übel aus. Sein Schwanz hatte sich verdickt, eine insgesamt ziemlich überraschende Spätfolge seiner Minuten früher vorbeigehuschten inneren Frage, ob Frau Tannenhart sich anlässlich des Rasierens ihrer Beine auch das Genital rasiert hatte. Erst jetzt zuckte ein kurzes Gedankenbild von einer schwarz restbehaarten Möse durch ihn hindurch, die aber nicht etwa bei Ö angewachsen war, sondern von jedem Körper isoliert und als sozusagen archetypisches Exemplar durch Glabrechts Phantasieraum sauste.
    »Kein Wort zu den ganzen anderen Vorhaben, nicht heute!«, sagte Glabrecht.
    »Vor allem nichts zum Casino unten drin und zur Glücksspiel-Lizenz! Das sollen die mal selbst herausfinden! Heute liefern wir nur Delphine, die kommen immer gut an, besonders bei den Frauen, – und natürlich Oper!«
    Glabrecht lachte. »Der Rest ist ganz unwichtig, ein kleines Zugeständnis, mehr nicht. Erhöht außerdem die Erlebnisqualität unserer Stadt! Genau, die Erlebnisqualität!«
    Dieses Wort war gerade, wie durch ein Wunder, neu in seinen Wortschatz geflossen. Hatte er es etwa sogar erfunden? Er erhob sich, blieb etwas gebeugt, damit man seine widerspenstige Halberektion nicht sehen

Weitere Kostenlose Bücher