Die große Verschwendung
jagte die Katze aus dem Zimmer, kehrte zurück an den PC, mausklickte, auf der panischen Suche nach der nachweislich nicht mehr zu steigernden Herrlichkeit, immer hektischer weitere Sequenzen an und gab endlich, ohne innere Überzeugtheit davon, tatsächlich zur absolut optimalen Ficksensation vorgedrungen zu sein, seiner Ejakulationslust nach. Synchron zum aktuell agierenden Helden spritzte er ab, – der Held zunächst versehentlich auf ein Auge der zurückzuckenden Bläserin, dann in ihren weit offenen Mund mit den makellosen weißen Zahnreihen, – Glabrecht auf seinen rechten Oberschenkel. Seine Ejakulation war noch nicht völlig zu Ende, als er die Pornoseite wegklickte. Nicht eine einzige Sekunde durfte er damit warten! Schnell, ehe das Sperma flüssig wurde und auf den Boden tropfen konnte, demütig und erbärmlich in der Hocke, die gestauchte Hose um die Unterschenkel, watschelte Glabrecht in sein Badezimmer, um sich zu säubern. Diesen satanischen giftigen Pornodreck würde er sich niemals wieder anschauen! All die Erregungsspitzen, die ihn gerade noch gestochen hatten, waren stumpf geworden, seine Empfindungen gleichmäßig grau wie ein typischer Bremer Dezemberhimmel.
Auch der Frosch draußen war verstummt. Erneut prüfte Glabrecht seinen Eingangsordner. Vielleicht hatte eben irgendetwas nicht gestimmt? In blöder Trance klickte er mehrfach »Senden / Empfangen« an. Immer wieder kam als Antwort: »Keine neuen Nachrichten«. Es blieb dabei, nichts war gekommen von Adriana, nur eine Werbemail von einer Mietwagenfirma erschien – auf Kreta waren jetzt besonders niedrige Tarife für Ferienautos zu haben. Danach gab er endlich auf, zog sich in sein Bett zurück, wo er sich wieder, wie seit Tagen vor dem Einschlafen, mit dem neuen Manufactum -Katalog beschäftigte. Die »guten Dinge«, um die da alles kreiste, beschrieben mit unterhaltsamer, geschliffener Prosa, beruhigten ihn, schufen Raum für das Opipramol . Männer mit grauen Bärten, Fahrradhelmen und Manufactum -Fahrrädern drangen in seine Gefühlswelt sowie seine Testikel ein, außerdem hasserfüllte beutelförmige Frauen klimakterischen Alters mit blondierten Haaren und Kampfhundaugen, dicken, vom emporwuchernden Nackenspeck verkürzten Hälsen und Manufactum -Jacken, die erbarmungsvoll die deformierten Ärsche verhüllten. In der Tat, Glabrecht empfand den Manufactum -Katalog als das erholsame präzise Gegenteil von Pornografie. Alle seine Triebe erstarben vor dieser Solidität. Er las und schaute, strich mit einem Kugelschreiber dies und jenes an, was er durchaus hätte bestellen können, aber auf keinen Fall jemals bestellen würde.
6.
Georg Glabrecht konnte sein Schicksal, was Adriana Fallhorn anging, bedauerlicherweise nicht selbst in die Hand nehmen. Wenn er mit dem Plan spielte, sie über die Nordic Urban Development anzuschreiben oder gar deren Zentrale in Oslo anzurufen, führte das sofort zu einem Blick in den nächstbesten Spiegel, außerdem zu feuchten Händen und beschleunigtem Herzschlag. Was hinzu kam: Die ganze Firma würde sich doch ihre Gedanken machen über ihn und seine unappetitlichen Absichten! Eine E-Mail zu schreiben, das wäre der Königsweg gewesen. Aber er hatte es in Oslo nicht gewagt, Adriana nach ihrer E-Mail-Adresse zu fragen, und im Internet war nichts zu finden.
In Oslo: Nach dem Lunch im Holmenkollen Park Hotel Rica , das mit seiner roten, märchenhaft verspielten Holzarchitektur aus einem Zeichentrickfilm von Walt Disney hätte stammen können, war Glabrecht sofort in den kleinen Konferenzraum zurückgekehrt. Aus Furcht vor dem zu erwartenden Müdigkeitsanfall hatte er eine Koffeintablette genommen, reichlich Mineralwasser getrunken und war auf den überdachten Balkon hinausgetreten, der frischen Wind geboten hatte sowie einen freien Ausblick auf die Stadt und den dreihundertfünfzig Meter tiefer im leichten Schönwetterdunst liegenden Oslo-Fjord.
Die Geräusche des Windes in seinen Ohrmuscheln hatten verhindert, dass er Adriana Fallhorn kommen hörte, und als sie sich plötzlich neben ihm über das Balkongeländer lehnte, nur durch einen der alten Holzpfeiler, die das spitzgieblige Terrassendach trugen, von ihm getrennt, richtete er sich hastig auf, um nicht so alt und erschöpft zu wirken, wie er tatsächlich war, griff nach seiner Krawatte, die seit Minuten in überaus demütigender Weise im Wind flatterte, zog sie mit der linken Hand glatt und schloss mit der Rechten seine Anzugsjacke.
Am Morgen, gegen
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