Die große Zukunft des Buches
Euro.
Legte man den günstigsten Preis für ein billiges Bücherregal mit sechs Böden zugrunde, kam ich auf 500 Euro pro Quadratmeter. Auf einem Quadratmeter mit sechs Regalböden lassen sich ohne weiteres dreihundert Bücher unterbringen. Der Platz eines Buches kostete mithin 40 Euro. Teurer also als sein Anschaffungspreis. Folglich müsste bei jeder Büchersendung der Absender einen Scheck in entsprechender Höhe beifügen. Für einen Kunstband größeren Formats müsste man etliches mehr berechnen.
J.-C. C.: Dieselbe Sache mit den Übersetzungen. Was machen Sie mit Ihren fünf Exemplaren auf Birmanisch? Sie sagen sich, wenn Sie einen Birmaner treffen, machen Sie es ihm zum Geschenk. Aber sie müssten ja fünf treffen!
U. E.: Ich habe einen ganzen Keller voll mit meinen Übersetzungen. Ich habe versucht, sie an Gefängnisse zu verschenken, wobei ich davon ausging, dass in italienischen Haftanstalten weniger Deutsche, Franzosen und Amerikaner einsitzen als Albaner und Kroaten. Also habe ich nur die Übersetzungen in diese Sprachen geschickt.
J.-C. C.: In wie viele Sprachen ist Der Name der Rose übersetzt worden?
U. E.: Fünfundfünfzig. Eine Zahl, die einiges dem Mauerfall verdankt und der Tatsache, dass seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion das Russische nicht länger in sämtlichen Sowjetrepubliken obligate Sprache war, das Buch also nun ins Ukrainische, Aserbaidschanische und so weiter übersetzt werden musste. Daher diese exorbitante Zahl. Wenn Sie fünf, sechs Exemplare für jede Übersetzung rechnen, haben Sie schon zwei- bis vierhundert Bände, die in Ihrem Keller untergebracht sein wollen.
J.-C. C.: Ich muss hier etwas gestehen: Ich habe schon mal welche weggeworfen, wobei ich mich vor mir selbst versteckt habe.
U. E.: Einmal habe ich mich, um dem Präsidenten einen Gefallen zu tun, in die Jury des Premio Viareggio wählen lassen. Ich nahm daran teil in der Sektion »Essay«. Ich musste feststellen, dass jedes Jurymitglied sämtliche für den Wettbewerb eingereichten Bücher zugeschickt bekam, alle Kategorien durcheinander. Um hier nur von der Poesie zu reden – und Sie wissen so gut wie ich, dass die Welt voller Poeten ist, die auf eigene Kosten erhabene Verse publizieren – , ich bekamkistenweise davon zugeschickt und wusste nicht, wohin damit. Dazu kamen noch alle anderen am Wettbewerb beteiligten Sektionen. Ich stellte mir vor, ich müsse diese Werke als Dokumente aufbewahren. Aber sehr bald schon sah ich mich zu Hause mit einem Raumproblem konfrontiert und habe glücklicherweise auf meine Pflichten innerhalb der Jury des Premio Viareggio verzichtet. Da hatte die Überflutung ein Ende. Die Poeten sind bei weitem die gefährlichsten.
J.-C. C.: Sie kennen diesen Witz, er stammt aus Argentinien, einem Land, wo, wie Sie wissen, überaus viele Poeten leben. Einer von ihnen trifft einen alten Freund und sagt zu ihm, während er die Hand in die Hosentasche steckt: »Ah! Du kommst gerade recht, ich habe eben ein Gedicht geschrieben, und ich muss es dir vorlesen.« Da steckt der andere ebenfalls die Hand in die Hosentasche und sagt: »Achtung! Ich habe auch eins!«
U. E.: Aber in Argentinien gibt es doch mehr Psychoanalytiker als Poeten, oder nicht?
J.-C. C.: Es sieht so aus. Aber man kann auch beides zugleich sein.
U. E.: Meine Sammlung alter Bücher ist zweifellos nicht zu vergleichen mit derjenigen, die der holländische Bibliophile Ritman aufgebaut hat, die BPH, Biblioteca Philosophica Hermetica. Da er irgendwann annähernd alles hatte, was man zu diesen Themen haben muss, fing er an, wertvolle Inkunabeln zu sammeln, auch wenn sie nicht in den Bereich der Hermetik fielen. Die modernen Bücher, die er besitzt, nehmenden gesamten oberen Teil eines großen Gebäudes ein, während die alten Bücher in einem wunderbar eingerichteten Kellergeschoss untergebracht sind.
J.-C. C.: Der brasilianische Sammler José Mindlin, der zu dem Thema Americana eine einmalige Sammlung aufgebaut hat, ließ für seine Bücher ein eigenes Haus errichten. Er hat eine Stiftung ins Leben gerufen, so dass nach seinem Tod die brasilianische Regierung seine Bibliothek unterhält. In viel bescheidenerem Rahmen habe ich zwei Sammlungen angelegt, denen ich gern ein besonderes Schicksal zudenken würde. Die eine davon ist, glaube ich, weltweit einzigartig. Sie enthält die Märchen und Sagen, die Gründungslegenden sämtlicher Länder. Das ist keine Sammlung im bibliophilen Sinn,
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