Die großen Seefahrer des 18. Jahrhunderts
typhoides Fieber daselbst eben sehr große Verheerungen an. Seine erfolgreiche Thätigkeit als Arzt gereichte ihm zu großem Vortheile. Er erlangte dadurch eine nach allen Seiten angenehme Stellung und erhielt auch ein Commando, das ihm Gelegenheit gab, an der Spitze einer Truppenabtheilung das Land in allen Richtungen zu durchstreifen. Dabei sammelte er eine Menge Beobachtungen über dasselbe und seine Verwaltung, über die Sitten der Einwohner und die merkwürdigsten geschichtlichen Ereignisse, die sein Werk über Abyssinien zu der wichtigsten der bisher darüber erschienenen Arbeiten machten.
Während eines dieser Züge entdeckte Bruce die Quellen des Blauen Nils, den er für den richtigen Nil ansah. Bei der Kirche Saint-Michel Geesch angelangt, wo der Fluß nur vier Fuß Breite und vier Zoll Tiefe hatte, vermuthete Bruce mit Recht, daß dessen Quellen in der Nähe liegen müßten; zwar versicherte ihm sein Führer, daß bis dahin noch ein Berg zu ersteigen sei, doch ließ der Reisende sich dadurch nicht beirren.
»Vorwärts! Vorwärts! rief ich, kein Wort mehr! Es ist schon spät; führt mich nach Geesch zu den Quellen und zeigt mir den Berg, der uns noch davon trennt! – Er geleitete mich nach der Südseite der Kirche und sagte, als wir aus dem dieselbe umgebenden Cedernhain heraustraten, boshaft pfiffig: Da ist der Berg, der, als Ihr noch jenseits der Kirche wart, zwischen uns und den Quellen des Nils lag. Einen anderen giebt es nicht. Seht jene rasenbedeckte Erhöhung inmitten der feuchten Au. Dort sind die beiden Quellarme zu finden. Geesch liegt auf der Höhe des Felsens, wo man jene grünen Gebüsche erblickt. Wenn Ihr bis zu den Quellen geht, so legt die Schuhe ab, wie Ihr es kürzlich gethan, denn die Bewohner dieser Gegend sind Heiden und glauben an nichts von Dem, woran Ihr glaubt, außer an den Nil, den sie tagtäglich gleich einer Gottheit anrufen, wie Ihr vielleicht die Eurige.
Ich entledigte mich der Schuhe, stieg eilends den Hügel hinab und lief auf die kleine grüne Insel zu, die kaum zweihundert Schritte vor mir lag. Der ganze Hügelabhang ist von Blumen bedeckt, deren kräftige Wurzeln oft aus dem Boden herausragen. Da ich unterwegs die Rinde dieser Wurzeln oder die Schalen der Zwiebeln betrachtete, fiel ich mehrmals heftig hin, bevor ich den Rand des Sumpfes erreichte, doch näherte ich mich zuletzt der grasbedeckten Insel. Ich fand sie ähnlich einem Altar, welche Form ihr künstlich gegeben sein mag, und stand mit andächtiger Bewunderung vor der Hauptquelle, die aus der Mitte dieses Altars hervorrieselte.
Gewiß kann man leichter meine Empfindungen sich vorstellen, als diese beschreiben. Da befand ich mich nun gegenüber jenen Quellen, welche der strebsame Geist und der Muth der Menschen schon seit dreitausend Jahren vergeblich zu finden trachtete!«
Bruce’s Reise bietet auch noch weitere interessante Aufschlüsse; doch müssen wir uns einige Beschränkung auferlegen. Wir geben deshalb nur noch wieder, was er über den Tzana-See mittheilt.
»Der Tzana-See ist, übereinstimmend mit allen Berichten, ohne Zweifel die größte Wasseransammlung dieser Gegenden, doch beliebte man dessen Ausdehnung etwas zu übertreiben. Seine größte Breite liegt in der Richtung von Osten nach Westen zwischen Dingleber und Lamgue und erreicht in gerader Linie wohl fünfunddreißig Meilen, doch verengert er sich nach den Enden zu beträchtlich, so daß er manchmal nur zehn Meilen in der Breite mißt. Die größte Länge von Norden nach Süden beträgt neunundvierzig Meilen und verläuft vom Bab-Baha aus eine kurze Strecke nach Südwest ein Viertel-West von der Stelle, wo der Nil, nachdem er den See in stets sichtbarer Strömung durchlaufen, sich gegen Dara nach dem Gebiete von Allata wendet. Während der trockenen Jahreszeit, d.h. vom October bis zum März, nimmt der See merkbar ab; wenn die Regengüsse aber alle Wasseradern anschwellen, welche strahlenförmig, wie die Speichen eines Rades in der Nabe, in ihm zusammenlaufen, so steigt er so sehr, daß ein Theil der umgebenden Ebene überschwemmt wird.
Dürfte man den freilich sehr lügenhaften Abyssiniern glauben, so enthielte der Tzana-See fünfundvierzig bewohnte Inseln; ich meine aber, daß deren Anzahl auf elf zurückzuführen ist. Die bedeutendste derselben ist Dek, Daka oder Daga, ihr schließen sich zunächst der Größe nach an Halimoon, an der Küste von Gondar, Briguida an der von Gorgora und Galita, noch jenseit Briguida. Alle diese Inseln
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