Die Günstlinge der Unterwelt - 5
Den Rang habe ich mir im letzten Krieg verdient. In diesem Krieg nannten mich beide Seiten ›der Wind des Todes‹.« Das war eines der Male gewesen, die er an den Fingern abzählen konnte.
Er wandte sich von Nathan ab und fixierte die Prälatin mit einem Blick von solch kalter Bedrohlichkeit, daß sie schluckend einen Schritt zurückwich. »Durch den Bruch des Abkommens hast du jede Schwester, die in den Midlands aufgegriffen wird, zum Tode verurteilt. Nach den Bedingungen des Abkommens ist dieses Urteil hiermit über sie gefällt. Ihr alle habt das Recht auf ein Verfahren oder auf Gnade verwirkt. Wer von euch aufgegriffen wird, wird augenblicklich und ohne vorherigen Urteilsspruch hingerichtet.«
Zedd stieß die Faust in die Luft. Blitze stürzten aus klarem Himmel herab und schlugen in die Burg über ihnen. Ein ohrenbetäubendes Geheul erhob sich, und ein Ring aus Licht breitete sich aus, raste am Himmel daher und hinterließ dabei eine Wolkenspur, dem Rauch eines Feuers gleich.
»Das Abkommen ist beendet! Du befindest dich jetzt auf feindlichem Gebiet, und der Tod weht dir ins Gesicht.
Falls du mich mit diesem Halsring verschleppst, dann verspreche ich dir, werde ich in deine Heimat ziehen und den Palast der Propheten in Schutt und Asche legen.«
Prälatin Annalina Aldurren betrachtete ihn einen Augenblick lang stumm, mit versteinerter Miene. »Mach keine Versprechungen, die du nicht halten kannst.«
»Stell mich auf die Probe.«
Ein entrücktes Lächeln streifte ihre Lippen. »Wir müssen aufbrechen.«
Zedd nickte grimmig entschlossen. »So sei es.«
Verna wurde sich nur allmählich dessen bewußt, daß sie wach war. Mit geschlossenen Augen war es ebenso dunkel wie mit offenen. Sie blinzelte und versuchte festzustellen, ob sie wirklich bei Bewußtsein war.
Sie entschied, daß sie tatsächlich wach war, und rief ihr Han herbei, um eine Flamme anzuzünden. Es kam nicht. Sie versenkte sich tiefer in ihr Inneres und schöpfte noch mehr Kraft.
Mit äußerster Anstrengung gelang es ihr schließlich, eine kleine Flamme in ihrer Handfläche zu entzünden. Auf dem Boden neben dem Strohlager, auf dem sie saß, stand eine Kerze. Sie schickte die Flamme in den Kerzendocht und sank erleichtert zusammen, denn nun konnte sie auch ohne die ungeheure Anstrengung, die erforderlich war, um eine Flamme mit ihrem Han am Brennen zu halten, sehen.
Die Kammer war leer bis auf das Strohlager und die Kerze sowie, an der gegenüberliegenden Wand, ein kleines Tablett mit Brot und einer Blechtasse mit Wasser und einem Gefäß, das aussah wie ein Nachttopf. Besonders groß war der Raum nicht. Fenster gab es keine, nur eine schwere Holztür.
Verna erkannte die Kammer wieder. Es war eine der Zellen des Krankenreviers. Was suchte sie im Krankenrevier?
Als ihr Blick nach unten fiel, stellte sie fest, daß sie nackt war. Sie drehte sich zur Seite und sah ihre Kleider, zu einem Stapel zusammengelegt. Beim Umdrehen spürte sie etwas an ihrem Hals. Sie langte vorsichtig nach oben und betastete ihren Hals.
Ein Rada’Han.
Ein Kribbeln lief über ihre Haut. Gütiger Schöpfer, sie hatte einen Rada’Han um den Hals. Eine Woge von Panik schlug schwindelerregend über ihr zusammen. Sie griff nach ihrem Hals, versuchte, ihn herunterzureißen. Sie hörte, wie ihrer Kehle ein Schrei entfuhr, während sie entsetzt wimmernd voller Verzweiflung an dem unnachgiebigen Metallring zerrte.
Voller Abscheu wurde ihr bewußt, was die jungen Burschen dabei empfinden mußten, wenn man ihnen dieses Werkzeug der Herrschaft umlegte. Wie viele Male hatte sie persönlich einen Halsring benutzt, um jemandem ihren Willen aufzuzwingen? Aber doch nur, um ihnen zu helfen – nur zu ihrem Besten. Empfanden sie dieselbe ohnmächtige Angst?
Voller Scham erinnerte sie sich daran, wie sie den Ring bei Warren benutzt hatte.
»Gütiger Schöpfer, vergib mir«, weinte sie. »Ich wollte nur dein Werk tun.«
Sie unterdrückte schniefend ihre Tränen und riß sich zusammen. Sie mußte herausfinden, was vorgefallen war. Diesen Ring trug sie jedenfalls nicht zu ihrem Wohl. Er war da, um sie zu beherrschen.
Verna betastete ihre Hand. Der Ring der Prälatin war verschwunden. Ihr Mut sank. Sie hatte in ihrer Position versagt. Sie küßte den bloßen Finger und flehte inständig um Kraft.
Als sich auf Betätigen der Klinke nichts rührte, schlug sie mit der Faust gegen die Tür. Sie nahm all ihre Kraft zusammen, richtete sie auf den Türgriff und versuchte, ihn mit Gewalt
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