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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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alle wichtige Situation zu erhellen … Vielen Dank, Frau Dr. Reinhard!«
    Als Isabella die Tür des Sitzungssaals hinter sich zuziehen wollte, griff jemand nach ihrer Hand. Sie drehte sich um und blickte in das runde, vertraute Gesicht Peter Amans. Mit einemmal fühlte sie sich ungeheuer erleichtert.
    »Komm«, sagte er, und die grauen Augen hinter der Nickelbrille lächelten sie an. Dann zog er die Tür so sorgsam zu, als schließe er einen Panzerschrank.
    »Peter, was tust du denn hier?«
    »Ist das vielleicht 'ne Frage! – Ich hab' zufällig gehört, was passiert ist, und bin gleich hierher gerast.« Er grinste. »Aber wie ich sehe: Eine Isabella Reinhard bringt so leicht keiner um.«
    »Nein«, sagte sie, »keiner … Herrgott, bin ich froh, daß ich dich sehe! Bringst du mich nach Hause? Ich will nur eines: mein Bett. – Aber mein Auto ist kaputt.«
    In seinem Cabrio fuhren sie durch die Stadt. Menschen flanierten über die Parkwege, Rollschuhfahrer flitzten vorüber, Kinder spielten, und über ihnen wob sich ein grün-goldenes Netz von Sonnenstrahlen und Blätterschatten.
    Es gab also auch ein Leben, das keine Notiz von dem nahm, was in einem Schwurgerichtssaal des Landgerichts vorging. Fast erschien ihr das wie ein Wunder …
    Zwei Motorräder preschten an ihnen vorüber, schwenkten ein und verlangsamten; auf jeder der schweren Maschinen saßen zwei Männer. Sie dachte sich nichts. Sie war viel zu müde, um irgend etwas zu denken. Ein dunkelgrüner Passat rückte hinter ihnen auf. Sie schloß die Augen.
    »Da hast du sie wieder.«
    »Was? – Wen?«
    »Vorne und hinten. Lies doch, ein Presseschild hat der hinter uns drauf. Und die Kameras bei diesen Motorradtypen, hast du die nicht gesehen?«
    »Wenn du wüßtest, wie gleichgültig die mir sind …«
    »Sicher, sicher … Aber vielleicht sollten wir uns doch langsam mal mit den Realitäten abfinden. Dies ist die Zeit der Informationsgesellschaft, und wir leben mittendrin.«
    »Ich pfeif drauf …«, seufzte sie.
    Sie hatten das Westend erreicht und bogen ab. Der grüne Passat folgte, die Motorräder aber standen bereits in ihrer Straße, standen aufgebockt vor der schmalen, weißen Mauer der Nummer 14, dem Haus, in dem sie wohnte. Die Fahrer waren abgestiegen – und sie waren nicht allein. Noch mehr Reporter und Fotografen gruppierten sich am Eingang.
    »O nein!«
    »Komm, Isa. Auf ein Foto mehr oder weniger von dir kommt's jetzt auch nicht mehr an.«
    Eine Parklücke vor der Haustür hatten sie freigelassen. Sie hielten. Isa drehte den Kopf und blickte sehnsüchtig an den halb erwartungsvoll, halb höflich grinsenden, halb gespannten Gesichtern vorbei zur Haustür.
    Gerade als sie die Hand auf den Türgriff legen wollte, las sie es …
    Zuerst konnte sie es nicht glauben. Dann zog sich krampfartig ihr Magen zusammen, und ihr Herz begann zu toben. Und schließlich fühlte sie nichts als eine tiefe, eisige Schwäche, die ihren Kopf nach vorne sinken ließ und jede Überlegung lähmte.
    Die Blitzlichter flammten auf.
    MÖRDER-HURE stand dort in großen, grellroten Spraybuchstaben.
    MÖRDER-HURE …
    »Nun trink doch … Nun trink doch …«
    Isabella starrte das Glas vor ihr an und schüttelte den Kopf. »Sie wollen mich fertigmachen, Peter! Die wollen mich ganz unten haben. – Und sie schaffen es …«
    Peter Aman strich über ihre geballte Faust und schüttelte den Kopf: »Nicht so, Isa, bitte nicht … Steigere dich da nicht hinein … Schau mal, das alles hat mit dir sehr wenig zu tun, sondern vielmehr mit einem Kollektivwahn.«
    »Aber warum hassen diese Menschen mich? Was habe ich ihnen getan?«
    »Menschen? – Es gibt Individuen. Doch diese Individuen schließen sich zu Gruppen und Verbänden zusammen, dann wird die Gesellschaft daraus oder die Nation oder sonstwas … Und dann sind sie nicht mehr sie selbst, dann demonstrieren sie so etwas wie das Volksempfinden und handeln entsprechend. Und wenn das mal am Kochen ist, nun ja … Jetzt komm, trink.«
    Er schob ihr das Rotweinglas näher. »Nachher gibt's was Schönes zu essen. Ich koche …«
    Sie saßen in Peter Amans hellem, weitem Penthouse. Wenn Isa geradeaus sah, konnte sie die in allen Grau- und Silbertönen schimmernden Dächer der Stadt und die leuchtende Silhouette der Frankfurter Skyline bewundern; dazu als Dreingabe einen rosagoldenen und blaßgrünen Abendhimmel. Aber sie blickte vor sich hin und schien kaum etwas wahrzunehmen.
    »Isa!« Nun nahm er ihre Faust und öffnete sie. »Das

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