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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wegfahren und dachte, es wäre vielleicht besser, ich seh' ein bißchen nach Ihnen. Außerdem hatte ich gerade Dienst.«
    »So, Sie hatten gerade Dienst?« wiederholte sie sinnlos.
    »Ja.« Er ging um den Golf herum und kam zurück: »Die Frontscheibe ist kaputtgegangen. Übrigens, sonst ist dem Auto nicht viel passiert – nur der Kotflügel.«
    »Wie schön. Und der Kerl, der meine Frontscheibe auf dem Gewissen hat?«
    »Der sitzt da vorne in unserem Wagen. In Handschellen.«
    »Und wer ist es?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ein verrücktgewordener Aerobiclehrer aus Bad Orb. Evi Fellgrub war in seiner Tanzgruppe. Er muß ein Fanatiker sein – oder sie geliebt haben – oder sonst was.«
    Oder sonst was? dachte sie. Der eine bringt sie um, der andere mich …
    »Kommen Sie! Ich fahr Sie nach Hause.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Wo wollen Sie denn hin?«
    »Wohin schon? Ins Gericht, zurück zur Verhandlung. Ich werde aufgerufen.«
    »Jetzt, nachdem man Sie gerade angefahren hat? Fühlen Sie sich denn stark genug?«
    »Stark? Was ist das?« Sie zuckte kläglich mit den Schultern. »Das weiß ich nicht … Aber ich fahre zurück … Und ob! Ich werde als Zeugin gebraucht. Jetzt will ich das alles hinter mich bringen – jetzt erst recht!«
    * * *
    Die Unruhe im Schwurgerichtssaal hielt an. Reuter ließ den Blick von den Richtern zu den Zuschauern wandern, und sein Lächeln zeigte den entspannten und doch gesammelten, undeutbaren Ausdruck eines Buddhas. Dann fixierte er wieder Ottner, dessen Finger nervös und unablässig an den Kanten seiner Jacke entlangstrichen. Schließlich wandte er sich Saynfeldt zu.
    »Ich hatte nicht im entferntesten die Absicht, dem Herrn Ankläger Zeugenbeeinflussung zu unterstellen. Um Himmels willen, nein … Falls dieser Eindruck entstanden sein sollte, ziehe ich meine Aussage zurück und bitte, sie im Protokoll zu streichen.«
    »Das ist bereits geschehen«, kommentierte Martin bissig.
    »Nun, vielleicht sollte man sagen, um so besser. – Aber es gibt in einem derartig brisanten und zum Politikum hochgeschaukelten Prozeß schließlich auch noch andere Parteien und Positionen, die Einfluß nehmen wollen.«
    »Fangen Sie schon wieder an? – Einspruch, Herr Vorsitzender.«
    »Stattgegeben. Bleiben wir beim Thema, Herr Verteidiger.«
    »Gerne. Es lautet: die Glaubwürdigkeit des Zeugen Ottner. – Herr Ottner, Sie werden verstehen, daß mir gar nichts anderes übrig bleibt, als zu beantragen, daß von nun an alles, was Sie diesem Gericht vortragen, unter Eid gestellt wird … Dazu möchte ich gleich hinzufügen: Ich besitze nicht allein die Aussage der Frau, die ich zuvor erwähnte, mir liegen weitere Beobachtungen vor, nach denen Sie in der fraglichen Zeit in Ihrem Wagen gesehen worden sind. Überlegen Sie sich also jedes Wort. Glauben Sie mir, es ist besser so, Herr Ottner …«
    »Einspruch«, forderte Saynfeldt.
    Reuter blickte ihn mit gespielter Überraschung an.
    »Hier soll ein Zeuge mürbe gemacht werden, noch dazu mit fragwürdigen oder nur angekündigten Beweismitteln …«
    Doch noch ehe Martin zu einer Entscheidung kam, hatte sich die Szene von Grund auf geändert. Karl Ottner, dieser schwitzende, halb störrisch, halb verlegen wirkende Mann, hatte sich unversehens in einen brüllenden, zornigen Berserker verwandelt. Er sprang so heftig auf, daß sein Stuhl krachend zu Boden schlug. Als er zu der Glaskabine rennen wollte, stellte sich ihm einer der Justizbeamten entgegen. Er schob ihn mit dem Ellbogen zur Seite, doch da waren bereits zwei andere, die sich an ihn klammerten.
    Mit aufgeblähtem Brustkorb, den Hals dick angeschwollen, stand Ottner da und brüllte die Richter an: »Und das soll ein Gericht sein? Ja, wo sind wir denn hier! Ich soll mich hier fertigmachen lassen? Ja, gibt's denn so was? Ich soll mich fertigmachen lassen, und die Sau da drüben bringt unsere Mädchen um …!«
    Ludwig Ladowsky rührte sich nicht.
    Er hatte beide Hände um den Schädel gepreßt, als versuche er, ihn zusammenzudrücken.
    * * *
    Dirk Schneider, der Leiter des Aerobic-Clubs in Bad Orb, war in das Untersuchungsgefängnis direkt neben dem Landgericht gebracht worden, in dem Ludwig Ladowsky seinem Urteil entgegensah. Ladowsky nehme auch an der Nachmittagssitzung teil, hatte Berling gesagt, als sie in einem grünen Streifenwagen der Polizei der Innenstadt zurollten. Er habe sich nicht nur bereit erklärt, weiterzumachen, er habe sogar darauf bestanden.
    Sie bogen in die Heiligkreuzgasse

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