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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wird Ladowsky nicht gefallen … gar nicht … da kriegen wir ein Problem. Das wird ihn umhauen … Mein Gott, er hat sich da irgend etwas mit dir aufgebaut, jedes zweite Wort ist Frau Reinhard …«
    Sie ertrug den Blick nicht länger, stand auf und ging zum Fenster. Dann, die Augen auf die geharkten Gehwege mit ihren Rosenbüschen gerichtet, sagte sie: »Komm, Markus, das machst du doch genausogut, wenn nicht viel besser … Du kennst die Patienten hier, hast die ganze Zeit mit ihnen gearbeitet, wie du gerade erzählt hast. Du bist selbst ein Mann – und außerdem«, auch diese Lüge fiel leicht, »ein ausgezeichneter Psychologe. Wir gehen es durch, Punkt für Punkt. Ich erzähle dir alles, was ich über Ladowsky weiß, ja? Schau mal – ich hab' so viel Leute, die auf mich warten. Meine Praxis ist voll … Und du, du machst diesen Job bestimmt viel besser.«
    Er legte den Kopf schief, und sein Gesicht zeigte nichts als Mißtrauen: »Da hab' ich erstens mal meine Zweifel. Und zwar ganz gewaltige Zweifel, Isa. Und jetzt kommt noch etwas dazu, zwei Dinge sind es eigentlich: Ladowsky ist unser erster Fall von Sexualstraftäter. Wir haben die Abteilung noch nicht aufgebaut. Das soll irgendwann geschehen, wenn das Geld bereitgestellt ist und die Leute an uns überwiesen werden können. Noch sind wir nicht so weit. Ladowsky ist also vollkommen isoliert, der einzige ›Kinderficker‹, wie sie hier sagen. Und was das bedeutet, kannst du dir vorstellen.«
    »… bedeutet an Gefährlichkeit?«
    »Was sonst?«
    »Und das andere?«
    »Das andere, Isa? Ich bin doch völlig überfordert. Wir haben zwar zwei Psychologen, doch von beiden halte ich nichts, und außerdem haben die schon alle Hände voll zu tun. Aber eine so komplizierte Geschichte wie Ladowsky – wo soll ich da einen geeigneten Therapeuten hernehmen?«
    Er runzelte bekümmert die Stirn.
    »Und schließlich noch ein drittes: Selbst wenn ich Zeit hätte … müßtest du erst einmal meine Meinung kennen: Für mich ist jeder für seine Taten verantwortlich. Da bin ich voll auf der Seite deines Gegners, dieses Oberstaatsanwalts … Und zweitens glaube ich nicht an die Möglichkeit, einen Mann wie Ladowsky mit Erfolg zu therapieren. In der letzten psychiatrischen Klinik, in der ich gearbeitet habe, hatten wir einige dieser Typen. Ich kenne sie also … Gut, ich kam weiter, wir konnten Gruppenarbeiten aufziehen, und das half. Aber eine endgültige Heilung? Sexualstraftäter sind Suchtkranke. Wenn du einen Rückfall verhindern willst, hilft nur eines: sie wegzusperren – oder sie ein Leben lang mit deiner Therapie zu begleiten. Das ist meine Meinung, und ich wünsche, daß du da klarsiehst.«
    Sie nickte mit einem komischen, trockenen Gefühl im Hals. So war das also. Sie wußte schon jetzt, was Markus Bennartz' Antwort bedeutete: Du mußt den Job annehmen, schon um vor dir selbst bestehen zu können …
    Sie sagte es nicht. Sie sagte: »Gehen wir? Kann ich Ladowsky jetzt sehen?«
    »Aber ja, Isabella.«
    Der große, offene Sportplatz war mit Maschendraht abgetrennt. An der Längsseite stand ein langer, flacher Bau – die Wäscherei, wie Bennartz erklärte. Er winkte ihr zu: »Komm hierüber!« Dann bog er die Zweige eines Holunderbuschs zur Seite, und sie standen vor einem Garten. Er war nicht groß, zehn auf zwanzig Meter, schützte sie, und an seinem hinteren Ende stand ein weiteres kleines Gebäude mit blauem, flachem Dach: der ›blaue Bungalow‹. »Dort«, sagte er, »bei den Beeten.«
    Tatsächlich – sie erkannte Ladowsky.
    »Er liest, oder er beschäftigt sich mit seinen Pflanzen. Das macht er den ganzen Tag. Pflanzen scheinen ihm unheimlich wichtig zu sein. Und auch die Tiere … Er redet ständig von dem kleinen Rotkehlchen, das die Katze angeschleppt hatte und das er nicht mehr retten konnte.«
    Sie schwieg.
    Bisher hatte der Schatten der Erlen, die am Ende des Gartens wuchsen, Ludwig Ladowsky in Halbdunkel gehüllt, nun trat er heraus ins Licht, und Isa empfand die Überraschung wie einen kleinen elektrischen Schlag. Er stand in der Mitte eines Beets und sah sich suchend um. – Doch war der Mensch, der dort drüben stand, Ladowsky? »Er ist wirklich ein beachtenswert hübscher Kerl«, hatte Markus Bennartz zuvor gesagt, und das war er: schlank, aufgerichtet, den Kopf zur Seite geneigt, das Haar kurz geschnitten, dunkelblondes Haar, das hell in der Sonne funkelte; dann das Profil und die sonderbare, entspannte, ja selbstverständliche, in sich versunkene

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