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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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diese Rollen bestimmend; genauso wie die Anerkennung oder das Echo, das wir aus dem Umfeld, der Gesellschaft, der Familie und dem Beruf erfahren. Aus dieser Rolle bildet sich, was wir Persönlichkeit nennen. – Aber, und auch das wissen wir alle, es ist keine fest umgrenzte … Jeder von uns trägt im Keim verschiedene Persönlichkeiten in sich, hat die Möglichkeit zu einem ganz anderen Spiel. Wir wissen es alle, jawohl, und Gott möge verhüten, daß der, den wir so oft beschwören und vor dem wir uns fürchten – der Teufel nämlich, das Böse –, die Herrschaft übernimmt …«
    * * *
    ›Überraschende Wende im Ladowsky-Prozeß … Schwurgericht schickt Kreuz-Mörder in geschlossene Anstalt … Ladowsky als schuldunfähig erklärt … Staatsanwalt legt Berufung ein …‹ Die Schlagzeilen überschlugen sich am folgenden Tag. Die Fernsehanstalten brachten das Urteil in allen Hauptnachrichten, zeigten Bilder von dem Gedränge vor dem Schwurgerichtssaal, Aufnahmen von nachdenklichen oder empörten und wutentbrannten Gesichtern – sie zeigten auch einen strahlenden Herbert Reuter, der sich, den Arm um die Gutachterin gelegt, die andere Hand nach vorne gestreckt, einen Weg durch die Journalisten, die Kameras und Mikrofone ins Freie bahnte. Ja, man sah es ihm an: Glücklich war Reuter, gleich wollte er sie in ein Restaurant schleppen – zur Siegesfeier.
    »Sie waren hinreißend, Isabella. Einfach unglaublich! Daß es so kam, war vor allem Ihr Verdienst.«
    Auch die Kommentatoren und Gerichtsreporter waren derselben Ansicht: ›Wenn das Duell zwischen Verteidiger und Staatsanwalt zugunsten des ersteren entschieden worden ist‹, so schrieb die größte Frankfurter Zeitung, ›so ist dies in erster Linie dem Auftritt der Gutachterin der Verteidigung, Frau Dr. Isabella Reinhard, zu verdanken, die ebenso überzeugend wie beeindruckend schilderte, wie es zu jener krankhaften seelischen Störung, vor allem zur Unfähigkeit der Einsicht in die Tat kam, die den Richtern nun die Möglichkeit gab, Ladowsky – wohl für den Rest seines Lebens – statt ins Gefängnis in eine geschlossene Anstalt zu schicken. Immerhin ist damit nun beides ermöglicht: sowohl der Gesellschaftsausschluß und damit die Gewährung der öffentlichen Sicherheit als auch der Therapievollzug.‹
    »Und jetzt?« Peter Aman fragte es, als er für Isabella am Abend des nächstens Tages in der Küche seines Penthouses ein Essen zauberte: Saltimbocca auf Spinat, dazu eine Flasche Pinot grigio. – »Ein Essen, dem Anlaß angemessen«, wie er verkündete. »Muß sein. Jawohl – muß! Du warst schließlich eine Zierde unserer Zunft.«
    »Komm«, hatte sie abgewehrt, »Zierde unserer Zunft …? Ich fühle mich als das genaue Gegenteil.«
    »Und was ist das?«
    »Ein ausgewrungener Putzlappen.«
    Bratenduft schwebte durch die Küche. Peter Aman träufelte ein wenig Sahne über die Spinatblätter. »Ja nun«, meinte er, »ausgewrungen, das bist du wohl, und schließlich ist das auch begreiflich: ein reines Erschöpfungssyndrom. Aber das gibt sich … Du wirst sehen, das Leben hat sie bald wieder, die Frau Dr. Reinhard. Und vielleicht mehr denn je. Jetzt bist du schließlich so was wie ein Star geworden.«
    »Hör auf – bitte!«
    »Trotzdem«, fuhr er fort, »es wird sich alles normalisieren … Bringst du mal die Teller rein, ja? Wirst gleich sehen, wie das schmeckt! Die Saltimboccas, das sag' ich dir im voraus, bilden den Anfang der Normalität.«
    »Meinst du …? Weißt du, Peter, was ich am liebsten möchte?« Sie stand mit ihrem Tablett an der Tür und drehte sich zu ihm um.
    Er starrte sie fragend an.
    »Weg von allem. – Ganz weit weg …«
    »Also wieder mal Kuba?« Er grinste: »Jetzt kannst du's dir ja leisten. Kauf dir ein Ticket. Das wäre kein Davonlaufen mehr, sondern ein wohlverdientes Bonbon.«
    »Nicht Kuba, das nicht mehr, Peter … Nein, nach Peru möchte ich, nach Hause.«
    »Ist Peru wirklich noch dein Zuhause? Ich kann es mir nicht vorstellen. – Gut, auf einen Besuch, ja …«
    »Nicht auf einen Besuch, Peter. Auch in Peru kann man arbeiten.«
    »Beruflich gesehen ist Peru eine Steinwüste, genau wie die Anden.«
    »Gerade deshalb. Gerade, weil man mich dort vielleicht brauchen kann … Hier aber? Nach allem, was ich gesehen und durchgemacht habe, nach allem, was passierte … Peter – hier in Frankfurt, vielleicht sogar in ganz Deutschland werde ich mich nie mehr so richtig wohl fühlen …«
    »Auch das wird sich legen. –

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