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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihr zuzulächeln. Sie legte sich hin und löschte das Licht.
    Und nun …?
    Am nächsten Vormittag, beim Erwachen, konzentrierte sich Isabella auf all die Dinge, die zu tun waren: Sie mußte ihre Zeit am Attersee vorbereiten, das bedeutete, daß sie die wichtigsten Therapien entweder zu Ende brachte, was bei der kurzen Zeit kaum möglich war, oder daß Peter Aman wieder einmal für sie einsprang. Nun, das würde sich regeln lassen …
    Was sonst?
    Sie stand auf, schaltete den Fernseher ein, ging in die Küche, brühte sich einen Kaffee auf und trank ihn so heiß, daß sie sich den Mund verbrannte.
    Dann stellte sie den Kaffee hart auf den Tisch zurück. Im Wohnzimmer war die Stimme des Nachrichtensprechers zu hören. Sie rannte hinüber.
    Journalisten. In ihrer Mitte ein dicker Mann mit Hornbrille und verkniffenem Gesicht, den alle mit ›Polizeidirektor‹ anredeten.
    Nein, sagte er, die bisherige Fahndungsaktion habe noch kein Resultat gebracht. Der Raum Mettenau sei großräumig abgesperrt worden … Die Untersuchung, wie es Ladowsky gelungen sein könnte, die Sicherheitssperren der Anstalt zu überwinden, befände sich noch im Gange … »Wir werden einen Fahndungserfolg haben, kein Zweifel.« Schon deshalb, weil es sich bei dem Täter um einen typischen Einzelgänger handle und sein Aussehen schließlich der ganzen Bevölkerung bekannt sei. Die Fahndung werde im übrigen zur Zeit auf das gesamte Bundesgebiet ausgedehnt …
    Na, tut das mal … Sie schaltete ab und atmete tief durch. Also weiter: Der Aufenthalt im Schafbach-Haus konnte nur eine Zwischenstation bedeuten. Zu gefährlich war Österreich, zu nahe lag es an der Bundesrepublik, zu viele Menschen hatten vermutlich die Prozeßberichte und nun wohl auch diese Nachrichten verfolgt. Gut, dachte sie, vierzehn Tage Attersee, dort fallen wir nicht auf. In der Zeit werde ich bereits mit ihm arbeiten. Auch therapeutisch läßt sich in zwei Wochen eine Menge erreichen. – Doch dann …?
    Sie lief in ihr Arbeitszimmer und stöberte in der Schublade, in der sie die private Post aufbewahrte, die ihr wichtig war – ein heilloses Durcheinander, aber dann fand sie doch das Kuvert, das sie suchte. Der Brief war ein halbes Jahr alt. Absender: Vito Breda, Vellino … Vellino war ein kleines Dorf zwischen Cremona und Mailand. Der Ort lag auf einem kleinen Hügel, und dort, wo sich der Hügel zum Fluß senkte, gab es ein altes Franziskanerkloster: Santa Maria dei Fiori. In diesem Kloster hatte Vito seine Klinik untergebracht. Er betreute vor allem Drogenfälle, und das bedeutete fast ausschließlich junge Menschen.
    »Du mußt zu mir kommen, Isabella! Ich habe da jede Menge Borderline-Fälle darunter, die Dich interessieren könnten … Und überhaupt: Warum machst Du nicht mal für ein Jahr den Laden dicht und spielst bei mir die Co-Therapeutin? Es würde Dir gefallen. Und es gibt einen herrlichen Wein bei uns …!«
    Vito Breda stammte aus der berühmten Bologneser Schule und gehörte zu jenen gutaussehenden, älteren, erfahrenen Psychotherapeuten, deren Lächeln schon genügte, um Widerstände zu überwinden. Er hatte sich trotz der staatlichen Subventionen, die die Klinik in Santa Maria bekam, jede Einmischung der Behörden in seine Arbeit verbeten, etwas, das wohl nur in Italien möglich war …
    Sie mußte Ludwig in dieses Kloster schaffen. Das war das Ziel …
    Schnell zog sie sich an und fuhr in die Praxis. Sie wollte mit Peter sprechen, doch er war beschäftigt. Nach der Vormittagsarbeit trank sie einen Kaffee beim Italiener und fuhr dann nach Sachsenhausen. Die Aufgabe, die jetzt zu erledigen war, bereitete ihr die größte Sorge. Je schneller es ihr gelang, sie hinter sich zu bringen, desto besser …
    * * *
    Charly Hohenberg wohnte im Hinterhof eines alten Hauses in der Bruchstraße. Man hatte es mit viel Aufwand in einem zarten Resedagrünton restauriert – passierte man aber den Eingang, war alles so wie früher: ein verrosteter Fahrradständer, Mülltonnen, Wäscheleinen und ein verhungertes Apfelbäumchen. Charly wohnte über seiner Werkstatt, einem zweistöckigen, unverputzten Backsteinbau, der an die Hinterwand des Nachbarhauses angebaut worden war.
    Sie drückte die Klingel. – Nichts. Dann klopfte sie. Keine Antwort … Sie erinnerte sich an das Klingelzeichen, das Einlaß verschaffte: zweimal kurz, einmal lang. – Also nochmals … Durch die verstaubte Scheibe der Tür konnte sie einen Schatten erkennen. Ein Schlüssel drehte sich – und da stand

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