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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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tanzen, verkündete er, er habe eine ganze Nacht unter Kojoten in einem Schwitzbad zugebracht, sich mit den Sternen unterhalten und sei überhaupt in allem viel, viel weiter als zuvor.
    »Ich auch«, sagte Isa. »Und das ohne Schamanen. Hör mal …«
    Er hörte nicht, er drückte ihr einen Haufen rundgeschliffene Hölzer in die Hand, von denen er behauptete, das seien magische Stäbe, sah sich um und seufzte: »Was tu' ich eigentlich hier?«
    »Genau das ist die Frage, die ich mir stelle.«
    »Oh?« sagte Peter Aman und blickte wachsam.
    Sie erzählte ihm von ihrer Arbeit mit seinen Klienten, griff in die Schublade, holte all ihre Kuba-Prospekte heraus und breitete sie auf dem Schreibtisch aus.
    »Kuba!« sagte sie. »Ich hau' ab.«
    Er warf keinen Blick auf die Bilder, er beobachtete ihr Gesicht. »Es gibt also entscheidend Neues hier?«
    »Neues? Was ist das?«
    »Nun, in deiner Biographie vielleicht. Oder irgendwas mit dem Hormonspiegel …«
    »Peter, ich fliege. Und das aus demselben Grund wie die meisten Leute. Weil ich die Nase voll habe.«
    »Kuba«, sagte er und schüttelte den Kopf.
    Sie küßte ihn auf die Stirn und ging.
    Es war Freitag. Halb elf jeden Freitag hatte Isa einen Termin, den sie eisern einhielt: die Behandlungsstunde bei Hella, der Chiropraktikerin. Einmal weil es im Abonnement lief, und zweitens war niemand so nett zu ihrer lädierten Bandscheibe wie Hella.
    ›Fit für den Urlaub‹ heißt das doch wohl, dachte sie, obwohl sie gerade eines der vielen psychosomatischen Wunder erlebte: Seit sie das Kuba-Ticket in der Tasche trug, hatten sich ihre Rückenbeschwerden verflüchtigt …
    »Die beiden nächsten Stunden werden Sie mich wohl vergessen müssen, Hella«, verkündete sie auf dem Massagetisch. »Ich mache Urlaub.«
    »Na prima.«
    Hella war sechzig, hatte kurzgeschnittene graue Haare, ein rundliches, sanftes Gesicht und Arme wie Eisen. Stets strahlte sie so etwas wie stummen Optimismus aus. Sie schwieg auch jetzt und ließ nur ihre Hände sprechen.
    Nach zwanzig Minuten sagte sie einen einzigen Satz: »Wohin?«
    »Kuba.«
    »So …«
    Isabella lag wieder da, das Gesicht in das Frottee der Liege gedrückt, lächelte in sich hinein und dachte an einen weißen Strand, ein tiefblaues Meer und an das Geräusch, das die Wellen machen, wenn sie mit Muscheln spielen. Warum nur, fragte sie sich, war sie die ganze letzte Woche ungehalten darüber gewesen, daß Richard sie nicht angerufen hatte? Es sind diese verdammten Gewohnheiten, die das Leben ausmachen, Gewohnheiten vom Wecker am Morgen bis zum Lametta am Weihnachtsbaum, nichts als Gewohnheiten, da gibt dir eine nach der anderen die Hand, und wenn du sie einmal leer zurückziehst, verfällst du in Panik.
    Doch das war vorbei. Und gründlich … Der Oberstaatsanwalt konnte ihr gestohlen bleiben.
    »Was ist denn so lustig?«
    »Lustig? Wieso?«
    »Sie haben doch gerade gekichert, Frau Doktor.«
    »Ich?«
    »Aber sicher.«
    Na gut, dann hatte sie gekichert. Sie wußte auch warum und drehte Hella den Kopf zu, so gut sie das konnte: »Hella, soll ich Ihnen was von meinem Lehrer erzählen? Er heißt Hauschild. Zur Zeit hab' ich ziemlich Krach mit ihm, wegen irgend so einer blöden Geschichte, aber das ändert nichts daran, daß ich ihn bewundere. Er ist ein As. Und Hauschild sagte immer eines: Wenn der Mensch schon in der Lage ist, den eigenen Verstand, sein Bewußtsein und seine Gefühle zu beobachten, dann bedeutet dies, daß er über eine Instanz verfügt, die sowohl seinem Verstand, seinem Bewußtsein wie auch seinen Gefühlen übergeordnet ist.«
    »Aha«, meinte Hella.
    »Und diese Instanz nannte Hauschild die ›alles umgreifende Intuition‹. Schöner Begriff, aber ein bißchen kompliziert vielleicht, nicht wahr? Man könnte es auch ziemlich ungenau mit Überlebensinstinkt ersetzen.«
    Hella schwieg. Isa störte das nicht. »Ich hab' sie entdeckt, Hella, die alles umfassende Intuition. Endlich. Und ich bin froh darum.«
    Sie zog ihre Bluse wieder über und verabschiedete sich.
    Hellas Studio lag im zweiten Stock eines alten Hauses in der Hermannstraße. Die Treppen knackten, als sie hinunterging. Sie drückte den elektrischen Öffner und zog die Türe auf. Das Haus Hermannstraße 16 konnte mit zwei kleinen Streifen braunverbrannten, erbärmlich geschundenen Grases rechts und links des Eingangs aufwarten. Dann kam der Bürgersteig. Und die Bordsteinkante.
    An dieser Bordsteinkante aber stand ein Wagen. Sie kannte ihn.
    Ein schwarzer Porsche

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