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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Beruhigungsmittel gehüllt hatten, verflog. Er kannte das Gesicht. Es war breit, aufgeschwemmt, die Augen unter den wuchtigen schwarzen Brauen blau, und darin ein eisiger Glanz, der ihn erschreckte. Es war das Gesicht seiner Alpträume. Unwillkürlich hob er den Ellbogen hoch.
    »Was soll denn das, Dreckschweinchen? Meinst, ich knall' dir eine? Kann ich mir doch nicht leisten … Hier nicht. Später … Hier bin ich Pfleger.«
    Ja, hier war Otto Schobig Pfleger, Hilfspfleger. Pfleger war er auch schon früher gewesen, im Städtischen Krankenhaus in Offenbach, in jener fernen Zeit, als es den Eintrag ›aggressiv und unberechenbar‹ in seiner Gefangenen-Karteikarte noch nicht gegeben hatte. Aggressiv und unberechenbar war Otto Schobig. Und genoß es.
    »Kein Verbandswechsel, Drecksau, nichts anderes als ein kleines Mittagessen. Willste wieder 'ne Schau abziehen? Ich weiß nicht, ob ich dir das erlauben kann.«
    Schobig rollte den Wagen heran. Ein Tablett stand darauf. Und auf dem Tablett wiederum dampfte eine metallene Suppenschüssel. Daneben gab es Brot, Teller und Besteck.
    Schobig füllte den Teller. Erbsensuppe … Er tat es ernst und konzentriert, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt.
    Ladowsky drehte den Kopf weg. Er fühlte, wie sich sein Magen zusammenzog.
    »So, so, seh' ja schon, das Dreckschweinchen will nix essen. Hab' ich mir gedacht. Geht aber nicht … Los, kriegst gleich dein Löffelchen, na, los schon.«
    »Bitte, nein …«
    »Was? Haste was gesagt? Ne, haste nix gesagt … Und mit bitte, bitte kommste bei mir nich weiter.«
    Er hatte sich jetzt weit über Ladowsky gebeugt, sein Mund grinste. Was folgte, geschah blitzschnell.
    Schobigs Hand, die zur Klaue gekrümmt auf Ladowskys Schulter niederfuhr, ihn hochriß …
    Ladowskys Schrei …
    Und Schobigs freie rechte Hand, die nach dem vollen Teller griff, den er ihm, während die linke den Kopf des brüllenden Ladowsky am Nacken hochzwang, mit der glühendheißen Suppe ins Gesicht schmetterte …
    Es war niemand im Raum.
    In jedem Gefängnis rangieren Sexualstraftäter in der untersten Stufe der Hierarchie. Einem Kindermörder freien Umgang mit anderen Gefangenen zu gestatten, würde schwere Tätlichkeiten, wenn nicht den Tod bedeuten. Aus dieser Sorge, aber auch aus Furcht vor unerwünschten Kontakten, lag Ladowsky allein.
    Und dieses Einzelzimmer mit dem leeren zweiten Bett war nun erfüllt von seinem Schmerzgeheul.
    Die Tür flog auf. Der wachhabende Gefangenenaufseher stürmte herein, erfaßte mit einem Blick die Situation.
    »Ja, bist du wahnsinnig geworden?«
    »Ich?« sagte Schobig seelenruhig, während er zufrieden auf den schmerzzuckenden Körper Ladowskys sah, das Gesicht betrachtete, das rot anschwoll und über das noch immer die grüne, klebrige Suppe rann. »Ich? Wahnsinnig? – Ja, und der?«
    »Mensch, Schobig! Dich knöpf ich mir nachher vor.«
    Der Beamte lief zum Telefon, um den Arzt zu rufen …
    * * *
    Kuba also … Und der Ort, wo sie hinfliegen würde, hieß Santa Margarita und lag zwanzig Kilometer von Havanna entfernt.
    Isabella hatte sich mit Anni von der Intermondo-Agentur geeinigt. Auch Anni Seifert hatte wenig Ahnung von Castros Insel, doch sie war so eifrig, so rührend nett, daß Isas gute Laune nun völlig in Schwung kam. Rasch kratzte sie das bißchen Erinnerungswissen zusammen und begann bereits damit, die grobe Kontur mit leuchtenden Farben auszufüllen. Dazu noch all die bunten Fotos auf den Prospekten! Ein kleines Fischerstädtchen an der Westküste. Und nichts als Palmen, weiße Muschelstrände und das weite, weite, blaue Meer – außerdem, das war das Allerwichtigste, so wenig vom Tourismushorror angekratzt, daß man die Gäste, um ihnen die schlechte Straße zu ersparen, mit dem Schiff in Havanna abholte.
    Isa schrieb den Scheck aus, hielt sich allerdings bei den Abflugterminen zwölfter und achtzehnter noch eine Option offen. Schließlich, sie war die einzige, die von ihrem Urlaubsglück etwas wußte … Peter Aman würde sie vertreten, doch wo trieb er sich ausgerechnet jetzt herum? In der Mohave-Wüste …
    Einen Tag später riß er die Tür der Gemeinschaftspraxis auf und stürmte herein: ein völlig veränderter Peter, braungebrannt und mit Müdigkeitsflecken unter den Augen, unrasiert dazu und sichtlich abgemagert. Das Abenteuerlichste an ihm war dieser verschlissene Trapperhut auf seinem Rundschädel und die gleichfalls fleckigen Indianermokassins an seinen Füßen. Er könne nun Schamanenrituale

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