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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Berling an seine Tochter … Sie hatte einen ähnlichen Elefanten. Nur, daß der nicht traurig war …
    Fellgrub nahm einen kleinen Karton von einem der Regale. Jemand, es war wohl Evi gewesen, hatte ihn sorgsam mit blauem Stoff beklebt. Auf der Oberseite des Deckels hatte sie noch ein übriges getan: Vor blauem Grund leuchtete eine weiße Möwe, auch sie mit viel Sorgfalt aus glänzender Seide geschnitten.
    »Da! Das sind die Briefe … Aber das sage ich Ihnen gleich, da schnüffeln Sie umsonst drin rum.«
    »Ich schnüffle nicht, Herr Fellgrub. Schnüffeln ist was für Hunde … Ich ermittle.«
    »Nennen Sie's, wie Sie's wollen.«
    Berling nahm den Karton und trug ihn zu dem kleinen Schreibtisch, er setzte sich nicht auf den Stuhl, irgend etwas in ihm wehrte sich dagegen.
    Der Karton, Evi Fellgrubs Erinnerungsschatz, war bis zum Rand mit Postkarten und kleinen Briefen gefüllt. Und doch nahm es noch keine fünf Minuten, dann war er damit durch. Es genügte, einen Blick auf die Schrift der Absender zu werfen: Die eines annähernd vierzigjährigen Mannes jedenfalls war nicht darunter …
    Von Lengbrunn nach Bad Orb waren es dreißig Minuten. Berling nahm die Kreisstraße – es war die letzte Straße, die Evi Fellgrub in ihrem Leben gesehen hatte.
    Helmut Fellgrub hatte ihm die Adresse gegeben. Schneiders Haus lag am Rand des Ortes in einer stillen Wohngegend, in der Fliederbüsche hinter Jägerzäunen wuchsen, die Briefkästen grün gestrichen waren und Birken ihre Schatten über die Sonnenterrassen warfen. Und der Rasen war überall makellos auf fünf Zentimeter gestutzt.
    Der Amselweg war schmal und führte in seinem letzten Stück bergaufwärts. Die Nummer vierzehn war das zweitletzte Grundstück auf der Hangseite. Das Waldstück, das die heile Welt von Bad Orb einrahmte, rückte bis auf wenige Meter an das von einer Weißdornhecke abgegrenzte Grundstück.
    Er war die letzten Meter sehr langsam gefahren, nun, als er anhielt, stieg er nicht aus. Er hatte es schon unterwegs gedacht: Die Sache kann dir aus dem Ruder laufen, immerhin, Schneider war Soldat gewesen und als Sportlehrer trainiert. Einen solchen Mann, falls er verdächtig war, allein zu stellen, bedeutete ein Risiko, das kein Polizist mit ein bißchen Erfahrung eingehen sollte; es sei denn, sein Name wäre Rambo. Umgekehrt – daß der Leiter eines Aerobic-Clubs auf Häftlinge in Gefängnissen schoß, war schon ziemlich unwahrscheinlich, und auch die Vorstellung, bei den Kollegen in Bad Orb lange Erklärungen abgeben zu müssen, um sich irgendeinen Hilfssheriff zu besorgen, war nicht angenehm. – Dann ruf die Zentrale an, dachte er. Doch er stieg aus. Auf die Sprüche der Leute vom K-13 war er ebenfalls nicht scharf.
    Der Weg war mit Steinplatten belegt. Rechts und links wuchsen Rosenbüsche. Und das Haus? Dieser Schneider schien ganz gut zu verdienen. »Der Dirk ist Vertreter«, hatte Helmut Fellgrub gesagt. Was immer er vertreten mochte, es schien sich zu lohnen; das Haus war nicht nur das größte in der Nachbarschaft, halb von der Böschung der Garageneinfahrt verdeckt, erkannte er auch ein Mercedes-Coupé neuester Bauart.
    Er ging langsamer und betrachtete das Gebäude, das gediegen und elegant wirkte. Breit hingestreckt lag es da, die Vorderfassade war mit einem Rosenspalier geschmückt und die Klingel in eine breite, gehämmerte Kupferplatte eingelassen.
    Er drückte sie. Ohne Erfolg. Wieder, zwei-, dreimal – niemand rührte sich.
    Schneider war unverheiratet, das wußte er von den Fellgrubs, na gut, aber vielleicht gab es eine Sekretärin oder eine Haushälterin? Es gab nichts … Nur Schweigen. Und das leise Fauchen der Windböen, die oben durch den Wald strichen.
    Berling entschloß sich, um das Haus herumzulaufen. Vielleicht, daß der Besitzer irgendwo im Garten auftauchte? – Auf der Rückseite, dem Tal zugewandt, stieß er auf einen Swimmingpool von beachtlichen Ausmaßen. Zwei große Teakholzliegen standen an seinem Rand. Dirk Schneider schien auf nichts zu verzichten, und einen Augenblick formte sich in Berling die Vorstellung eines Herrn im Bademantel, der voll Wohlgefallen eine Horde blutjunger, fröhlich im Pool planschender Clubmitglieder betrachtete, wobei sich sein Blick vor allem auf die Mädchen, vor allem vielleicht auf Evi richtete – aber sofort wischte er das Bild wieder beiseite. Genau das war doch das Verdammte an dem ganzen Fall: Diese Form von Tod verpfuscht dir ständig die normalen professionellen Kriterien.
    Er ging

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