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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sie nahm auch den Kopf nicht hoch, als sie sagte: »Jungens sind keine Verehrer … Und unter den Jungens im Dorf und auch den Jungens im Club war keiner, mit dem sie irgendwas angefangen hatte. Das waren Kameraden, ›Kollegen‹, wie sie sagte, nichts als Kollegen … Da gab's noch nicht mal 'n Küßchen – gut, vielleicht so 'n Küßchen auf die Backe, aber das war dann auch schon alles.«
    »Aber vielleicht gab's doch einen besonderen Kollegen«, beharrte er. »Einer, dem Evis Tod ganz besonders naheging …«
    »Der ging allen nahe.«
    »Natürlich. Weiß ich doch. Aber vielleicht gibt's trotzdem einen, den die schreckliche Geschichte so geschockt hat, daß er sich vornahm, das Urteil nicht dem Gericht zu überlassen, sondern die Sache selbst in die Hand zu nehmen?«
    Sie schüttelte den Kopf. Und schälte weiter. Die Kartoffel war blank und kam zu den anderen auf den Teller. Sie nahm eine neue. »Das waren doch alles Kinder, Sechzehn-, Siebzehn- und ein paar Achtzehnjährige. Die kannten doch nur ihre Mopeds, den Club und das Aerobic …«
    Wieder war Stille in der Küche. Draußen auf der Straße donnerte ein Lastwagen vorbei, dann wurde es so ruhig im Raum, daß Berling die Kuckucksuhr über dem Kühlschrank ticken hörte.
    Er machte einen letzten Versuch: »Sie meinen also, daß es keiner – aus dem Club zum Beispiel – auf sich genommen hätte, Evis Tod zu rächen – auf eigene Faust?«
    Sie legte das Messer aus der Hand. Ihr Blick glitt an ihrem Schwager hoch, und er glaubte, in dessen Augen ein Warnsignal zu entdecken. Doch entweder hatte sie es übersehen, oder sie wollte ganz bewußt den Namen nennen.
    »Dirk«, sagte sie.
    Ihr Schwager stieß die Luft zwischen den Zähnen aus. »Mensch, Irma!«
    »Das nützt doch nichts, Helmut«, sagte sie ruhig. »Gar nichts nützt das. Der Herr da und die anderen von der Polizei würden's doch herausfinden.«
    »Was, Frau Fellgrub …? Und wer ist Dirk?«
    »Dirk hat den Club in Bad Orb gegründet. Der war mal Sportlehrer bei der Bundeswehr. Und dann ließ er sich frühzeitig entlassen und hat sogar einen ganzen Teil von seinem Abfindungsgeld in den Club gesteckt, in den Übungsraum, die Geräte, die hatten ja sogar 'ne Sauna dort und so 'n kleines Schwimmbecken, das hat alles er finanziert. Sogar die Kostüme … Er war ganz verrückt mit der Aerobic-Sache. Und unheimlich stolz darauf. Und das konnte er auch sein, denn die Kinder wurden ja immer Erster oder Zweiter bei den Wettkämpfen. Die kriegten so viel Pokale. Selbst Evi brachte solche Pötte nach Hause …«
    Berling nickte. Die Dinge fügten sich zusammen. Und auf viel einfachere Weise, als er es sich erträumt hatte.
    »Dieser Dirk, wie heißt er mit Nachnamen?«
    »Dirk Schneider«, sagte sie so leise, daß es kaum zu hören war.
    »Gut, dieser Herr Schneider, wie alt ist er?«
    »Der Dirk?« erwiderte Helmut Fellgrub. »Na, so an die vierzig. Aber das sieht man ihm nicht an.«
    »Und Evi war eine Art Star im Club, stimmt das?«
    »Sie war die Beste«, sagte Irma Fellgrub, und nun klang ihre Stimme laut und fest. »Sie war – wie nennt man das …«
    »Die Solistin«, sagte ihr Schwager.
    »Und könnte es nicht sein, ich meine, wäre es vorstellbar oder hatten Sie vielleicht gewisse Hinweise, daß sich Herr Schneider …« Er suchte die richtige Formulierung, in der bedrückenden, mit Spannung aufgeladenen Atmosphäre wurde jedes Wort zum Problem: »… ich meine, Ihre Tochter war ja nicht nur außerordentlich attraktiv, es kommt doch auch noch dazu, daß er sie als Solistin aufgebaut hatte, sie also bevorzugte. Und gerade in solchen Fällen ist es häufig so, daß man in der Schülerin sozusagen das eigene Geschöpf sieht, den Menschen, dem man besonders nahe ist.«
    Helmut Fellgrub ging um den Tisch herum, legte die Fäuste auf die Platte und starrte Berling direkt in die Augen: »Sie meinen, er hatte sich in sie verknallt? Oder die beiden hatten sich ineinander verknallt? Ist es das?«
    »Richtig«, sagte Berling. »Genau das.«
    »Da war aber nichts. Da war gar nichts, hören Sie, überhaupt nichts. Stimmt's, Irma?«
    Sie nickte. »Er hat recht. Sie sprachen vorhin von Verehrern. Es war umgekehrt: Evi verehrte ihn. Er war unheimlich lieb zu ihr – und so rücksichtsvoll, ganz zart. Und das ist kein Gerede, das weiß ich, denn Dirk war oft genug bei uns im Haus. Und ich konnte ja beobachten, wie er sie behandelte. Und außerdem, eine Mutter merkt so was sofort.«
    Trotzdem … dachte Berling, doch

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