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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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antwortete Bouillac ungerührt, »aber die Folter wird ihre Zeit brauchen, und Euch tut Eile not. Ich hingegen, der ich an den Galgen soll, habe die Ewigkeit vor mir.«
    Zu diesem Scherzwort, welchem es nicht an Würze noch Hintersinn und Absicht fehlte, lachte mein Vater, dem die Kühnheit dieses Strauchritters wohl gefiel und der auch begierig war zu wissen, was selbiger zu vermelden hätte.
    »Bouillac«, sprach er also, »machen wir es kurz. Wieviel bietest du für dein Leben?«
    »Hundert Dukaten.«
    Da schwiegen alle still und sahen sich gegenseitig an, so sehr waren sie erstaunt, daß ein Strauchdieb eine solche Menge Geldes besaß. Doch beim Klang der großen und kleinen Münzen wurde Sauveterre anderen Sinns und sprach mit schneidender Stimme:
    »Zweihundert.«
    »Pfui, Herr!« sprach Bouillac. »Mit einem armen Schlucker feilschen!«
    »Kein guter Hugenott, der nicht feilscht!« sprach mein Vater lachend.
    »Zweihundert!« rief Sauveterre.
    Darauf Bouillac: »Oh, Herr, Ihr nehmt mir das Letzte!«
    »Ist dir der Strang etwa lieber?«
    »Topp! So sei es denn«, seufzte Bouillac, »um meines Halses willen!«
    »Der Handel gilt!« sprach mein Vater ohne Zögern. »Und jetzt lasset hören, warum Eile not tut.«
    »Herr Baron, im selben Augenblick, da ich mich auf den Weg begab, Eure Schweine niederzumachen und Eure Mühle abzubrennen, brach die Bande des Hauptmanns Belves auf, Le Breuil zu überfallen und Eure Schafe abzustechen.
    »Heiliges Gemächt!« rief mein Vater aus, »ich ahnte es! Wie viele sind ihrer?«
    »Sieben mit Belves.«
    »Dank sei dir, Bouillac. Dem Gelichter werde ich die Suppe versalzen.«
    Mit langen Schritten eilte mein Vater zu dem Saale hinaus, wobei er Miroul, Faujanet, Péromol und den Vettern Siorac befahl, unverzüglich ihre Pferde zu satteln und in schnellstem Galopp Cabusse zu Hilfe zu eilen, welcher – dem Herrn sei Dank – nicht allein war, denn der hünenhafte Jonas befand sich bei ihm und vielleicht auch Alazaïs, so es ihr gelungen war, bis zur Schäferei durchzudringen, woran ich nicht zweifelte; der trefflichen Weibsperson fehlte es nicht an List.
    »Bouillac«, wandte sich mein Vater wieder an ihn, »wer hat all das bezahlt und angestiftet?«
    »Ein Raubritter, welcher raubt, ohne sein Schloß zu verlassen und ohne den kleinen Finger zu rühren.«
    »Fontenac?«
    Bouillac nickte mit dem Kopf, sprach jedoch kein Wort – ein Schweigen, das mein Vater wohl zu deuten verstand, denn er drang nicht weiter in Bouillac, sondern blickte ihm nur wortlos ins Auge.
    »Herr Baron, bin ich frei?« fragte der Strauchdieb.
    »Sobald das Lösegeld gezahlt ist.«
    »Ich eile, es herbeizuholen«, sprach Bouillac, »Ihr möget nur befehlen, daß mir mein Pferd, meine Pistolen, mein Degen nebst meinem Dolch wiedergegeben werden, ohne welche Gerätschaften ich mein Handwerk nicht auszuüben vermag.«
    »Nichts da!« sprach Sauveterre, »du wirst freigelassen, so wie du bist. Wenn du deine Gerätschaften willst, kostet dich das noch fünfzig Dukaten.«
    »Oh, Herr!« rief Bouillac aus, »Ihr verursacht mir gar große Pein und Qual.«
    »Fünfzig Dukaten oder nichts«, sprach da mein Vater.
    »Nichts?« sprach Bouillac fragenden Blickes.
    »Nichts, so du einwilligst, vor dem Notario Ricou Zeugnis abzulegen wider Fontenac.«
    Worauf Bouillac eine gar lange Zeit schwieg, ehe er einwilligte. Sein Zeugnis war jedoch nur von geringem Nutzen: die Herren Brüder beriefen sich vergeblich darauf, als sie die Sache vor den königlichen Gerichtshof zu Bordeaux brachten undFontenac anklagten, denn die papistischen Richter waren derart gegen jeglichen Hugenotten eingenommen, daß unsere Klage nicht den kleinsten Erfolg zeitigte.
    Doch ich greife den Ereignissen voraus. Kaum eine Stunde nach Bouillacs Gefangennahme erschien Michel Siorac (wel cher sich von seinem Zwillingsbruder durch das Wundmal unterschied, das er im Kampf zu Landrevie davongetragen) auf seinem schaumbedeckten Hengst vor dem Torhaus von Mespech und schrie Escorgol zu, auf Le Breuil seien alle Angreifer niedergemacht oder in die Flucht geschlagen. Nach Beratschlagung entschieden mein Vater und Oheim Sauveterre, daß die Toten der beiden Banden auf einen Karren geladen, alsdann im Schutze der noch andauernden Dunkelheit zur Burg Fontenacs gebracht und vor die Zugbrücke geworfen werden sollten.
    »Soll er selbst sie in die Erde bringen«, sprach Sauveterre, »denn er hat sie bezahlt!«
    Doch ehe der Totenwagen sich in Bewegung setzte, wählte

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