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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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und Freudenausbrüche zu Ende waren, denn unser Gesinde ließ ab von der Traubenernte und kam herbeigelaufen, uns zu drücken, zu befühlen, zu beklopfen, uns die Hände oder Wangen zu küssen, dabei munter in schönstem Okzitanisch schwatzend, welches ich in den vergangenen zwei Monaten so wenig gehört, daß sein Klang mir ganz seltsam und voller Zauber schien, derweil Quéribus von seinem Pferdeherab, die Hände auf dem Sattelknauf, dies ganze Schauspiel mit einem bewegten Lächeln betrachtete, wohingegen Dame Gertrude du Luc nicht am Schlage ihrer Kutsche auftauchte und so – wie ich wohl glaube – ihre Bescheidenheit bezeugen wollte.
    Nach tausend herzlichen Dankesworten lud mein Vater Quéribus samt seiner Gefolgschaft sogleich auf unsere Burg ein, indes Oheim Sauveterre stumm einen langen Blick auf all die Männer warf und mit Schrecken an all die Löcher dachte, welche diese hungrigen Mägen in unseren Mundvorräten hinterlassen würden. Zum Glück für unsere hugenottische Sparsamkeit lehnte Quéribus jedoch ab, indem er sprach:
    »Es ist ganz unumgänglich, daß ich bei meinem Vetter Puymartin absteige: er wäre sonst beleidigt.«
    Doch auf unsere erneute Einladung versprach er, zusammen mit Puymartin am nächsten Tag auf Mespech zu kommen. Als nun Quéribus uns verlassen, war es an der Zeit, sich der mit geschlossenen Vorhängen am Wege stehenden Kutsche zuzuwenden, auf welche mein Vater immer wieder mit Neugier geblickt hatte, und man kann sich vorstellen, wie seine Augen glänzten, als Dame du Luc voller Anmut, doch in verschämter Zurückhaltung ausstieg, gefolgt von Zara, welche sie nicht als ihre Kammerjungfer, sondern als ihre Ehrendame vorstellte und die meinen Vater sogleich mit so verführerischen Lockungen umgab, daß er ihnen in seiner Schwäche für das zarte Geschlecht gewißlich erliegen mußte, denn nach der Zahl der Kinder zu urteilen, die er Franchou gemacht, hatte das Alter seine Leidenschaft kaum abgekühlt. ›Sieh an‹, dachte ich bei mir, ›diese listigen Weiber haben die Rollen gut verteilt: die eine sucht ihn zu erbauen, die andere zu verführen. Sapperment! welch meisterliche Schlauheit hat die Natur dem schwachen Geschlecht als Ausgleich für die geringen Leibeskräfte verliehen!‹
    Nachdem mein Vater unsere beiden Kalypsos höflich hatte mit einer Kammer und einem Imbiß versorgen lassen, wollte er ungesäumt in seiner Bibliothek meinen Bericht hören, welchen ich so kurz wie möglich hielt, um nicht unsere private Freude mit der Erinnerung an unser öffentliches Unglück zu überschatten. Doch wenngleich die Brüder immer wieder bittere Tränen vergossen über den verräterischen Mord an Admiral von Coligny und so vielen trefflichen Edelleuten, die dem protestantischenAdel zur Zierde gereicht hatten – sie blieben stark in ihrem hugenottischen Glauben und vertrauten mehr denn je auf Gottes Beistand.
    »Auch wenn der Papst«, so sprach Sauveterre, »als er den abgeschlagenen Kopf Colignys erhielt, in Sankt Peter ein
Te Deum
anstimmte und Freudenfeuer in ganz Rom entzünden ließ: seine Freude wird nur von kurzer Dauer sein, denn die reformierte Kirche Frankreichs ist nicht zerstört. Schon sammelt sie wieder ihre Kräfte und bildet sich neu. Gar manche unserer Städte im Süden haben den königlichen Truppen ihre bewehrten Tore vor der Nase zugeschlagen, und so wird sein gemeiner Verrat diesem lumpichten Scheißer von König am Ende nichts anderes einbringen als einen dritten Bürgerkrieg und eine gerechte Niederlage!«
    Mein Vater, welchem anscheinend nur wenig gefiel, daß Karl IX. als »lumpichter Scheißer von König« bezeichnet ward (denn der König verdient Respekt, was immer er tut), begnügte sich, dieser glühenden Rede mit einem Kopfnicken zuzustimmen, und fragte mich, wie es um Gertrude du Luc und Samson stehe. Worauf ich ohne Umschweife antwortete:
    »Sie ist willens, ihn zu heiraten und ihm als Mitgift eine gar schöne Apotheke in Montfort-l’Amaury zu erwerben.«
    Auf welche Worte die Brüder sehr unterschiedlich reagierten.
    »Was!« rief mein Vater, »so weit entfernt von Mespech!«
    »Was!« rief Sauveterre, »noch eine Papistin!«
    Letztere Erwiderung ging mir wegen meiner Angelina höchstlich gegen den Strich; so schwieg ich mit dem stolzen und verschlossenen Gesicht, welches mein Vater für gewöhnlich aufsetzte, wenn er sein Mißfallen zum Ausdruck bringen wollte. Darüber hub mein Vater, welcher sehr wohl bemerkt hatte, daß ich ihn nachahmte, zu

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