Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
Vom Netzwerk:
erwartet. Nicht erwartet hatte ich, daß sie so schnell aufgab und bloß sagte, wenn ich unbedingt wolle, dann solle ich ruhig fahren. Das brachte mich sofort auf den Gedanken, daß sie einen andern hatte. Aber vielleicht war in Wirklichkeit auch nichts weiter dazu zu sagen. Unser sogenanntes gemeinsames Leben war die reinste Routine, wenn es überhaupt etwas war.
    »Teddy! Hast du gehört, was ich gesagt habe?« fragte Lasse.
    »Ich weiß wirklich nicht, ob unsere Beziehung hält«, sagte ich bloß und sah, daß ihn das absolut nicht wunderte. Es war auch ein offenes Geheimnis, daß Janne und Lisbeth schlecht miteinander auskamen. Sie führten sich zivilisiert auf, aber mehr auch nicht. Meine vorige Frau, Majken, und Lisbeth waren gleichaltrig und sahen sich ständig. Sie waren Freundinnen. Meine erste Frau war eine Jugendliebe, wir heirateten, um eine Wohnung zu bekommen. Fünf Jahre und zwei Kinder später war Schluß damit. Wir trennten uns ohne Blutvergießen und ohne böse Miene. Heute können wir uns sehen und ein paar Worte wechseln, ohne auch nur das Geringste dabei zu fühlen. Ich glaube, wir waren beide unabhängig voneinander darüber verwundert, was wir im anderen sahen. Die Kinder hielten uns ein bißchen zusammen. Jetzt waren sie erwachsen, selber verheiratet und hatten Enkel geliefert. Jeder hatte die Enkelkinder für sich, und wir sahen uns sehr selten. Die Ehe mit Majken hatte fast zwölf Jahre gehalten, aber es wurde eine schlimme Scheidung. Sie hatte ein Kind aus erster Ehe. Wir bekamen noch drei gleich hintereinander, bevor es krachte. Ich war ihr untreu gewesen, und sie hatte es entdeckt. Sie und die Kinder waren außer sich, und wahrscheinlich hat mir keiner von ihnen jemals verziehen. Wir glauben, wir leben in einer Zeit, wo uns Seelenschmerzen nichts mehr anhaben können, aber Verrat und Trennung tun genauso weh, wie sie es immer getan haben. Nun war das jüngste Kind achtzehn, und wir sprachen höflich miteinander, aber näher sind wir uns nicht wieder gekommen. Am meisten ärgerte mich, daß die Sache mehr an mir nagte, als ich zugeben wollte. Majken hatte wieder geheiratet. Sie hat noch ein Kind bekommen, spät. Ihr neuer Mann hat zwei mitgebracht. Glücklicherweise ist Majken Mathematikerin. Es braucht das Gehirn und die Systematik einer Rechenmeisterin und einen dicken Kalender, um all die Geburtstage, Weihnachten und Silvesterfeiern in einer höheren Einheit aufgehen zu lassen, wenn auf allen Seiten auf die biologische Nachkommenschaft und die Stiefkinder Rücksicht genommen werden mußte. Wir gehörten einer Generation an, die nicht gerade still und diskret durchs Leben gegangen ist. Eigentlich hatten wir wohl immer nur an uns selbst gedacht.
    »Willst du überhaupt, daß sie hält?« fragte Lasse.
    »Natürlich will ich«, sagte ich. »Aber laß uns über Polen oder Stalin oder die NATO oder irgendwas anderes Vernünftiges reden.«
    Er lachte.
    »Du warst es, der angefangen hat. Und nun werde ich das Essen bezahlen, bei dem ganzen Geld, das du für die Kinder aufbringen mußt.«
    »Meine eigenen sind ja Gott sei Dank über achtzehn«, grummelte ich, und wir lachten wieder beide, vielleicht um eine beginnende Verlegenheit zu überspielen, und meine Laune besserte sich wieder.
    Wir spazierten wie zwei Gentlemen durch die schmalen Straßen, mit offenen Mänteln und schwingenden Armen. Wir hätten nur noch einen Zylinder haben müssen und jemanden, den wir damit grüßen konnten, dann hätten wir geradewegs einem Musical entsprungen sein können. Die Pferdehufe klapperten über die Pflastersteine, aber viele Kunden hatten die Kutscher noch nicht in ihren Wagen. Am alten Rathaus, wo ein Würstchenwagen mit dem hehren Namen »Dania« erstaunlich geschmacklos herumstand, blieb Lasse plötzlich stehen und faßte mich am Arm.
    »Dreh dich nicht zu auffällig um. Denk an die alten Tage in Moskau…«
    Ich wußte, wovon er sprach, bückte mich und hantierte an meinen Schnürsenkeln herum. Ich blickte zurück, hinter uns lief ein knappes Dutzend Menschen über den Platz.
    »Siehst du die Frau«, sagte Lasse, »blauer Mantel, kastanienbraunes Haar, Straßenschuhe. Gepflegte Dame, Anfang sechzig. Vielleicht etwas jünger. Gut erhalten, aber trotzdem…«
    Ich schaute etwas genauer, dann entdeckte ich sie. Sie stand vor dem Schaufenster eines Sportgeschäfts und studierte eifrig die Auslagen, dann blickte sie in unsere Richtung, drehte auf dem Absatz um und verschwand eilig in einer

Weitere Kostenlose Bücher