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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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verbrannten Häusern, unbestellten Feldern, fehlenden Papieren, zerstörten Landschaften. Nach Hause mit ihrem ganzen Haß. Das wird auch für euch zu einem Problem werden.«
    »Ich dachte, du hältst zu den Serben.«
    »Das ist mein vierter Krieg in zehn Jahren, Teddy. Ich halte zu niemandem mehr. Es gibt keinen mehr, zu dem man halten kann. Alles ist vorbei. Alles zerstört. Wenn ich zu jemandem halten soll, dann zu den guten Menschen überall auf der Welt. Die findet man auch in Serbien. Vielleicht bekommen die jetzt eine Chance.«
    »Bist du deshalb in dieses Ölgeschäft eingestiegen?«
    »The big oilscam«, sagte sie lächelnd auf englisch, ehe sie wieder ins Russische fiel. »So lautete die Schlagzeile in der Presse. Ob es deswegen war? Wahrscheinlich. Die alten Bündnisse hatten keinen Sinn mehr. Es ging nur noch um einen selbst und um die eigene Pension. Es fing alles als ein Ableger meines Jobs an. Wir mußten uns ja mehr und mehr selber finanzieren. Wir bekamen auch kein Gehalt. Die Sache war zu lukrativ, um sie einfach links liegenzulassen. Wenn man schon an der ideologischen Front verloren hatte, mußte man wenigstens an der kapitalistischen gewinnen. Wenn du mich verurteilen willst, bitte sehr. Es ist einige Jahre her, daß ich mir erlauben konnte, moralisch zu sein.«
    »Teddy verurteilt keinen. Teddy wirft in seinem Glashaus nicht mit Steinen.«
    Er versuchte ihr in die Augen zu schauen, aber sie blickte nur vor sich hin.
    »Wie heißt du wirklich?« fragte er.
    Sie drehte ihm ihr Gesicht zu, sah ihm in die Augen und lächelte wieder. Wenn sie lächelte, erinnerte sie ihn an Irma. Sie hatten die gleichen Gesichtszüge und die gleichen intelligenten und lebhaften grünen Augen.
    »Mira. Mein Name ist Mira.«
    »Und du bist meine Schwester?«
    »Der Teil der Geschichte stimmt, Teddy. Wir haben denselben Vater.«
    Teddy warf seine Kippe weg und steckte sich gleich eine neue Zigarette an. Er bot Mira auch eine an, aber sie schüttelte den Kopf.
    »Wie hast du Irma gefunden?« fragte er dann.
    Mira verschränkte die Arme hinter dem Kopf und dachte nach.
    »Als junges Mädchen war Irma sehr revolutionär. Sie hat an einem Trainingslager der PLO im Libanon teilgenommen. Dort habe ich sie entdeckt. Ich galt dort als jugoslawische Revolutionärin, die den palästinensischen Genossen in ihrem gerechten Kampf gegen den Zionismus zur Seite stehen wollte. Die jungen Leute von heute würden kaum verstehen, wovon ich rede. Ich erkannte formbares Material in ihr, obwohl sie eigentlich zu revolutionär, zu maoistisch war. Aber das konnte durch Erziehung korrigiert werden.«
    »Wußtest du, daß sie deine Schwester war?«
    »Im Libanon noch nicht. Aber ich habe das schnell rausgekriegt, als wir ihren Hintergrund durchleuchtet haben, und Berlin gab uns dann grünes Licht für den Versuch, sie anzuwerben. Und Vater habe ich natürlich auch gefragt.«
    Teddy richtete sich verblüfft auf.
    »Berlin? Was hat denn Berlin damit zu tun?«
    »Teddy. Mein Chef hieß in all den Jahren Markus Wolf. Ich habe für die Hauptverwaltung Aufklärung der Stasi gearbeitet. Deshalb hatte ich ja auch das Gefühl, daß mir der Boden unter den Füßen zu heiß wird, als diese Gerüchte in Umlauf kamen, daß die Amis unsern Kode geknackt hätten. Wir waren mindestens dreihundert Mitarbeiter. Wir glaubten uns sicher. Wir wußten, daß Wolf unsere Namen niemals enthüllen würde.«
    »Teufel noch mal«, sagte Teddy auf dänisch.
    »Der könnte durchaus seine Hände im Spiel gehabt haben«, sagte sie. Ihre Stimme war kühl, leise und geschäftsmäßig. Teddy hingegen war innerlich aufgewühlt, und er stolperte fast über seine eigenen Worte, als er sagte:
    »Das heißt, du hast Angst, daß jetzt mehr oder weniger alle hinter dir her sind?«
    Sie lachte.
    »Mehr oder weniger. Serben, Kroaten, die NATO, die Russen, jetzt auch noch die Dänen und zu allem Überfluß auch noch ein ziemlich wütender Teil der Mafia. Ich habe alle und jeden verraten. Ich bin der absolute und der absolut letzte Doppel- und Dreifachspion. Oder noch besser: Ich bin das letzte der prähistorischen Wesen, die in dem Jahrhundert, das jetzt zu Ende geht, entstanden und auch schon wieder ausgestorben sind.«
    Überraschenderweise lachte sie, als fände sie die ganze Situation ungeheuer komisch.
    »Es ist also gar nicht so seltsam, daß ich in den letzten Jahren oft an Australien gedacht habe. Ich glaube, denen da unten ist das alles ziemlich Wurscht. Europa ist für die weit

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