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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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unterzuschieben, den keiner kennt. Das warst du. Wenn alles anders gelaufen wäre, hätte ich dich bestimmt in Kopenhagen besucht. Mir brannte der Boden unter den Füßen. Ich mußte den Teil meines Gepäcks loswerden, der für mich die schwerste Last war.«
    »Der olle Teddy sollte also das Maultier sein. Wie ein gemeiner Drogenkurier.«
    Sie legte ihm beschwichtigend die Hand auf den Arm.
    »Ich wollte auch gerne meinen Bruder sehen. Nach all den Umwälzungen waren meine Gefühle viele Jahre lang in ziemlichem Aufruhr. Tatsächlich wußte ich weder ein noch aus. Ich hatte eine Heidenangst, Teddy. Mit der russischen Mafia macht man keine Scherze. Die ist überall in Ost und West, und hier im Osten oder auf dem Balkan hat sie beinahe freie Hand. Ich hatte Schiß, Teddy. Ich fühlte ihren Atem im Nacken, und ich wollte nicht das Risiko eingehen, mit meinen Informationen an der nächsten Grenze zu stehen, wo mich dann ein unterbezahlter Zöllner merkwürdig und vielsagend anguckt. Ich habe dich erst ein bißchen beobachtet. Auch um zu sehen, ob dich andere beobachteten. Was ich da gesehen habe, hat mir gefallen. Vielleicht war es nur ein dummer Traum, mitten in dem ganzen Chaos einen Halt in meiner Familie zu finden. Neben all dem anderen.«
    »Jetzt wirst du aber sentimental.«
    »Das ist ein Gefühl, das ich mir nie erlauben durfte, aber vielleicht träume ich genau davon, wenn ich von einem normalen Leben träume.«
    Teddy ergriff ihre Hand.
    »Das ist doch völlig irrational, aber ich freue mich wirklich, dich getroffen zu haben.«
    »Schön, daß du das sagst.«
    »Der Titel des Bildes lautet ganz klar: Teddy rührselig in Albanien nach Wiedersehen mit verlorener Schwester.«
    »Ich verstehe nicht, was du meinst.«
    »Wir haben Zeit genug. Die Erklärung bekommst du bei Gelegenheit.«
    Teddy ließ ihre Hand los, stand auf, streckte seinen Rücken und massierte seine schmerzenden Lenden.
    »Hast du Rückenschmerzen?«
    »Nicht so schlimm.«
    »Beuge dich ein bißchen vor, ja so, und stütze die Hände gegen die Wand«, sagte sie, und er tat, was sie verlangte, die Beine leicht gespreizt, die Handflächen gegen den rauhen Putz gedrückt, als wollte sie eine Leibesvisitation bei ihm vornehmen. Es war angenehm, ihre Hände zu spüren, zunächst auf der Jacke, dann unter der Jacke, wo sie behutsam seinen schmerzenden Rücken massierten.
    »Das kannst du gut, Mira«, sagte er und fuhr fort: »Warum hast du mich nicht noch mal aufgesucht?«
    »Um dich zu schützen.«
    »Vor wem?«
    »Nennen wir sie einfach die Schurken. Ein paar von ihnen habe ich über den Tisch gezogen. In Prag und Preßburg hatte ich einen alten Freund. Er hat einen Nebelschleier um mich herumgelegt aus Loyalität gegenüber der Liebe unserer Jugend und gegenüber dem, was uns sonst noch verband, aber sie haben ihn erwischt. Ich glaube, sie hatten Angst, er würde deinem dänischen Sicherheitsbeamten zuviel erzählen. Sie wußten ja nichts über Pavels und meine Beziehung zueinander.«
    »Du bist vom Tod umgeben, Mira.«
    Ihre Hände hielten einen Augenblick inne, aber dann setzte sie das sanfte Streichen über Rücken und Lende fort.
    »Deshalb will ich ja auch weg. Es ist Schluß.«
    »Wolltest du Irma mitnehmen?«
    »Nein, warum denn das?«
    »Irma ist Spionin. Irma ist Edelweiß. Das ist mir jetzt klar.«
    »Ja und nein. Irma war Kurier. Edelweiß ist mehr als ein Mensch. Edelweiß ist die beste Operation, die wir je durchgeführt haben. Ohne Irma kein Edelweiß. Ohne Edelweiß keine Irma. Aber Edelweiß ist auch die größte dänische Operation, die wir je laufen hatten. Mehrere verschiedene Führungsoffiziere, mehrere Agenten. Wir hatten etliche davon in Dänemark, und Irma war diejenige, die ihren Einsatz koordinieren konnte. Dänemark zu infiltrieren war nicht schwierig. In Dänemark gab es viele Irmas.«
    »Also wer ist er? Der mystische Mann. Irmas heimlicher Geliebter.«
    Wieder erklang Miras sanftes Lachen, und er spürte ihre ruhigen, massierenden Hände.
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht ist er nicht nur ein Mann. Vielleicht weiß ich es, aber vielleicht will ich es nicht sagen, wenn Irma es nicht sagen will. Und das will sie nicht. Er ist Edelweiß, aber er ist auch ein Traum. Vielleicht der Traum unserer Schwester von einer lebenslangen Liebe. Vielleicht ihr Traum von der Möglichkeit, eine gerechte Gesellschaft zu verwirklichen, ein Utopia zu errichten. Vielleicht ist er nur eine Fata Morgana. Diese Geschichte mußt du selber zu Ende

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