Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
Vom Netzwerk:
führen. Nimm das, was dir am besten paßt. Such dir deinen eigenen Schluß aus.«
    »Genau wie Keyser Soze«, sagte Teddy.
    »Wer?«
    »Ein Mann, der alle in Angst und Schrecken versetzt, der überall ist, den keiner gesehen hat. Eine mystische Figur in einem Film, der Die üblichen Verdächtigen heißt.«
    »Den habe ich nicht gesehen.«
    »Weißt du was – den mußt du dir angucken. Ein schöner Film ist das. Du mußt ihn dir zu Hause bei Teddy angucken, mit einem Glas Wein und Regen an der Fensterscheibe. Ich hab ihn auf Video. Du wirst ihn mögen. Es ist ein phantastischer Film.« Er machte eine Pause und sagte dann, ohne den Tonfall zu verändern: »Die Polizei meint, du hättest Irmas heimlichen Freund getroffen.«
    Ihre Hände hielten inne. Er richtete sich auf, drehte sich um und blickte in ihre kühlen Augen. Aber sie lächelte.
    »Sagen sie das?«
    »Sie sagen, sie könnten es so gut wie beweisen.«
    »Das ist vielleicht auch richtig.«
    »Was heißt ›vielleicht‹, Mira?«
    Wieder zeigte sie ihr Lächeln, das er so reizend fand, und er ärgerte sich, daß sie sich nicht schon früher getroffen hatten. Er hatte sofort einen Draht zu ihr gefunden. Es war schwierig, sie als Halbschwester zu begreifen, wo sie doch so unbekannt und so weiblich war.
    »Na, egal«, sagte sie. »Ich habe ihn einmal gesehen. Kurz bevor wir beide uns zum ersten Mal gesehen haben. Ich habe ihn zusammen mit Irma in Dänemark getroffen. Sie hat darauf bestanden.«
    »Ein letzter Deal.«
    »Nein, Teddy. E. hat Krebs. Er hat nicht mehr viel Zeit. Irma wollte, daß die beiden Menschen, die ihr am meisten bedeuten, sich einmal begegnen, ehe es zu spät ist. Wir haben uns beide ihrem Wunsch gebeugt, und jeder von uns hatte sein eigenes Motiv.«
    »Das war sowohl sentimental als auch gefährlich.«
    Überraschend nahm sie seine Hand und hielt sie fest.
    »Teddy, zuerst war Irma Teil eines Geschäfts, dann wurden wir Schwestern. Richtig gute Schwestern. In den ganzen letzten Jahren hatten wir keinen professionellen Kontakt mehr, aber wir haben uns geschrieben und uns ein paarmal im Jahr in Zürich getroffen. Das ist so schön anonym und neutral. Sind in den Bergen spazierengegangen, haben geplaudert, geträumt, uns gegenseitig erzählt, was sich Schwestern so erzählen. Irma weiß nichts von meinen Kontakten zur Unterwelt. Als die Mauer fiel, gab es keinen mehr, für den man Spion sein konnte, aber das mußte ja nicht bedeuten, daß wir uns deswegen nicht mehr mochten, nicht wahr? Im Gegenteil.«
    »Das hört sich ja alles sehr verwickelt an. Ich finde mich da nicht zurecht.«
    »Brauchst du eigentlich auch nicht, Teddy.«
    »Bei dir hört sich das einerseits kompliziert und andererseits furchtbar banal an. Wie in einem Popsong. Ich liebe dich und vergebe dir und werde dich vermissen und dieser ganze Quark.«
    Sie lachte laut.
    »Vielleicht ist es auch so. Die Liebe ist ja auch banal, Brüderchen. Deshalb ist sie so groß und unvorhersehbar.«
    Er hielt weiter ihre Hand fest, setzte sich aber vorsichtig auf den Schemel und zog sie auf den Stuhl neben sich.
    »Also weißt du, wer E. ist?«
    »Ich weiß, wie er aussieht.«
    »Darüber würden die Dänen gerne mehr erfahren.«
    »Vergiß es. Das führt zu nichts.«
    »Ich glaube nicht, daß die Dänen das wollen.«
    »Ach, die Dänen«, sagte sie. »Die sind ein bißchen naiv. Die brausen auf und beruhigen sich wieder. Die Dänen wollen es am liebsten gemütlich und ohne viel Krach und Konflikte. Ihr habt das Talent, euch heil durch eine bedrohliche Welt zu lavieren. Die Dänen wollen am liebsten so billig wie möglich davonkommen. So war es, als Vater Soldat war, und so ist es heute. In Wirklichkeit hat keiner in Dänemark Lust, in der jüngsten Vergangenheit herumzuwühlen. Es gab keine Revolution. Es gab keine Gewalt. Die jungen Leute wurden zu festen Stützen der Gesellschaft. Das ist sehr dänisch. In Wirklichkeit bedeutete es gar nichts für sie. Jedenfalls heutzutage nicht. Also laß uns das Thema wechseln.«
    »Edelweiß steht in den Archiven.«
    Sie lachte wieder. Er freute sich über ihr Lachen und dachte, wenn sie in ihrer Lage so leicht lachen konnte, was für ein heiterer Mensch mußte sie dann erst unter normalen Umständen sein. Die Eigenschaft hatten weder Irma noch Fritz. Die hatten etwa genausoviel Humor wie ein Holzklotz. Das fehlte gerade noch, daß er endlich jemanden in der Familie mit Sinn für Humor gefunden hatte, und dann wollte sie nach Australien auswandern oder

Weitere Kostenlose Bücher