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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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weg, aber wegen des Krieges sind Grenzübertritte im Augenblick zu gefährlich für mich.«
    »Ich verstehe das nicht, Mira. Wie bist du zur DDR gekommen, und wie ist Irma da gelandet, falls sie da gelandet ist?«
    »Ganz einfach, Teddy. In Wirklichkeit sind persönliche Verbindungen das einzig Entscheidende. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen zunächst die Russen und dann die Stasi einen Teil des alten Gestapo- und SS-Netzwerks. Die neuen Feinde waren die Kapitalisten und die Imperialisten. Die Vergangenheit wurde unwichtig. Wenn deine Feinde nun die Feinde deiner neuen Feinde waren, zählte das mehr als ein alter Krieg. Im Westen wurde das genauso gemacht. Etliche alte Frontkameraden von Vater wurden Teil des DDR-Geheimdienstes. Sie beherrschten ihr Handwerk. Der Unterschied zwischen den beiden Systemen war letztlich unerheblich. Auf diesem Wege wurde ich kontaktiert, umworben und angeworben. So habe ich von Irma, Fritz und dir erfahren, aber Irma war für unsere Zwecke natürlich am geeignetsten, bei ihr konnte man am leichtesten versuchen, sie zu der Einsicht zu bewegen, daß der Sozialismus auch Disziplin erfordert. Und daß man diese Disziplin nicht in kleinen sektiererischen Gruppierungen findet, sondern nur in der kommunistischen Partei, die weiß, daß Lenins Vaterland letzten Endes die Fahne vorantragen muß. Ich habe dafür gesorgt, sie auf einem sogenannten Seminar in Rostock wiederzusehen, an dem eine ganze Reihe Dänen teilnahm. Der Rest ist gewissermaßen Geschichte.«
    Teddy schüttelte den Kopf, warf die Kippe weg und zündete sich sofort eine neue an. Diesmal nahm Mira auch eine. Die Geräusche der Flüchtlinge waren deutlich zu hören, aber sie waren wie ein Klangteppich aus Stimmen, Rufen, Weinen, platschendem Wasser und Stiefeln, die sich durch den Schlamm schleppten. Die Sonne war jetzt richtig hervorgekommen, und mit der Sonne kamen neue Düfte, die der Wind über den Zaun des Flüchtlingslagers trug, Düfte von feuchtem Gras und sprießenden Blumen vielleicht, ein nicht genau zu bestimmendes mildes Gefühl, das von den abgenutzten Ziegelsteinen ausging und ihn an den Sommer erinnerte. Über den Stimmen der Menschen meinte Teddy Vogelgezwitscher hören zu können.
    »Warum hast du mich in Preßburg aufgesucht?«
    Sie rauchte ruhig. In ihr Gesicht war etwas Abwesendes getreten. Sie muß einmal eine ungewöhnlich schöne Frau gewesen sein, dachte Teddy. Irma sah gut aus, das hat sie immer getan, aber das kroatische Blut hatte Mira hinter dem harten Äußeren eine besondere Schönheit und eine Süße geschenkt, die Irma völlig fehlten.
    Sie sah ihn an.
    »Ein Fuchs hält sich immer zwei Ausgänge offen. Du solltest etwas für mich rausschmuggeln.«
    »Kodes von Bankkonten.«
    »So was in der Art, aber mehr als das.«
    »Der Koffer ist weg«, sagte Teddy und war plötzlich enttäuscht, das es kein persönlich motivierter Besuch war.
    »Verstehe. Ich habe die Unterlagen aber auch poste restante an mich selbst geschickt.«
    »Aber du weißt nicht, ob das Vermögen nach wie vor unangetastet ist?«
    »Das kann ich nicht wissen.«
    Sie machte eine Pause, als wüßte sie nicht recht, ob sie ihm alles erzählen sollte, und fuhr dann fort.
    »Ich habe dir Notizen und bestimmte Informationen gegeben, die in unserer Familiengeschichte versteckt waren. Ein altmodischer Trick, Teddy. Mit unsichtbarer Tinte zwischen den sichtbaren Wörtern geschrieben. Namen von Agenten, Geldtransaktionen vergangener Jahre. Menschen, die sich heute sicher wähnen, von denen ich aber weiß, daß sie das sind, was man Verräter nennt. Alles mögliche, was bei eventuellen Verhandlungen von Nutzen sein könnte.«
    »Du hast doch ständig Grenzen überschritten. Warum sollte ich dann auf einmal deine Lebensversicherungspolice an mich nehmen?«
    »Das ist das Wort, Teddy. Versicherungspolice. Man war hinter mir her. Verschiedenste Leute, aber vor meinen diversen Kollegen habe ich mich nicht gefürchtet. Nur vor dem, was ihr Mafia nennt, hatte ich Angst.«
    »Wie nennst du es denn?«
    »Mafia.«
    Sie mußten beide lachen. Das mochte Teddy an ihr. Sie konnte auch über sich selbst lachen.
    »Ich bin dir gefolgt, aber ich hatte das Gefühl, daß ich ebenfalls verfolgt wurde. In diesem Teil der Welt vertraue ich den Zollbeamten nicht. Die kann man für einen Zehn-Dollar-Schein kaufen, also habe ich mir gedacht, es ist besser, meine kleine Sammlung von Geheimnissen über andere Menschen und ihre Vergangenheit einem Mann

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