Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
Vom Netzwerk:
Agentin, wenn ihr der Boden unter den Füßen zu heiß wird? Sie verkauft, was sie hat. Entweder dem Meistbietenden oder denjenigen, die sie als Sieger ansieht. Das heißt der NATO. Aber wie? Mit serbischen Agenten auf den Fersen. Vielleicht wird sie beschattet. Wer vertraut ihr? Was, wenn sie an der Tür abgewiesen wird? Wie findet sie Einlaß? Sie benutzt die Geschichte, Herr Toftlund. Ihr Wissen, daß sie einen dänischen Vater und dänische Halbgeschwister hat. Sie weiß, daß sich ein Halbbruder in der Gegend aufhält, weil ein vorsichtiger Agent wie ein Fuchs stets dafür sorgt, mindestens einen Ausgang zu haben, den keiner seiner Auftraggeber kennt.«
    »Und die Halbschwester?« fragte Toftlund.
    »Stand vielleicht in den Archiven. Wurde vielleicht in den Archiven gefunden.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Sie wissen sehr gut, daß Nachrichtentätigkeit zu gleichen Teilen aus Effektivität und Glück besteht. Vielleicht hatte man einfach Glück, als man nach einer Rückversicherungsmöglichkeit suchte.«
    »Gibt es einen Beweis dafür?«
    »Natürlich nicht«, sagte der kleine Mann gereizt.
    Toftlund dachte ein wenig nach, dann fragte er:
    »Die Frau in Preßburg. Warum haben Sie soviel Material über sie?«
    »Wir haben sie seit Jahren beobachtet.«
    »Das haben offenbar alle.«
    »Ja, denn wer besaß eigentlich ihre Seele? Der Preis für Loyalität fiel kräftig, als die Kommunisten aufhörten, sich an die Macht zu klammern.«
    Samson nahm einen Schluck von seinem Kaffee und zündete sich eine neue Zigarette an.
    »Wissen Sie, was sie verkaufen wollte?«
    »Nein, aber ich weiß, daß es wichtig genug war, daß entweder die Serben oder die Kroaten in Budapest darauf aus waren, es in die Finger zu kriegen. Ein Unschuldiger mußte dran glauben, aber es gibt Opfer in allen Kriegen, würden sie wahrscheinlich sagen, wenn sie zu moralischen Gedanken überhaupt fähig sind.«
    »Das heißt also, es hat irgendwas mit dem Krieg zu tun?« sagte Toftlund.
    »Ganz sicher.«
    »Etwas Wertvolles?«
    »Ganz sicher.«
    »Wissen Sie, was es ist?«
    »Nein. Es befand sich in dem Koffer, der Ihrem Landsmann im Airport Bratislava abhanden kam.«
    »Er ging unterwegs verloren. Das ist keine Seltenheit.«
    »Nein, nein. Es war im Flughafen, dort hat ihn jemand mitgehen lassen. Man hat dann einen andern Koffer auf Weltreise geschickt.«
    »Sind Sie sich da ganz sicher?«
    »Vollkommen. Ich kenne diesen Jemand. Er stand in meiner Schuld.«
    »Und die Frau?«
    Samson zuckte die Schultern und trank seinen Kaffee aus.
    »Untergetaucht. Man sagt, die Serben hätten jemanden auf sie angesetzt. Ich kenne den Betrag nicht, aber er ist in D-Mark, und das ist im heutigen Jugoslawien ein gutes Polster, das heißt, an Bewerbern für diesen Auftrag herrscht sicher kein Mangel. Sie hat es mit den Briten und den Amerikanern versucht. Aber die vertrauen ihr nicht. Sie wurde an der Tür abgewiesen. Die Dänen sind ihre Hoffnung. Ihr seid klein. Ein bißchen sentimental. Und auch ein wenig geehrt, hofft sie. Außerdem habt ihr nichts zu verlieren. Und dann gibt es da die alte Verbindung. Auf die setzt sie ihre Hoffnung.«
    Toftlund schwieg. Dann schaute er dem Slowaken in die ruhigen, kühlen, gräulichen Augen.
    »Vielleicht hat sie einen Namen, der für Dänemark eine besondere Bedeutung hat.« Samson sagte nichts, wich Toftlunds Blick aber nicht aus. »Ein dänischer Spion, von dem wir vielleicht den Stasi-Kodenamen haben, aber keinen richtigen Namen. Ein dänischer Spion, der so hoch angesiedelt ist, daß jemand töten würde, um diese Person zu schützen. Was halten Sie davon, Herr Samson?«
    Der Slowake machte der Bedienung ein Zeichen und sagte:
    »In unserer Welt ist alles möglich. Alles deutet jedenfalls darauf hin, daß die Spur nach Dänemark führt. Daß die Sache zwar in diesem Teil der Welt angefangen hat, aber in Richtung Dänemark weist. Wenn Sie hier in der Nähe ein Mittagessen spendieren, erzähle ich Ihnen die Hintergrundgeschichte. Sie ist wie alles bei uns mit der Vergangenheit verknüpft und äußerst faszinierend.«
    »Abgemacht«, sagte Toftlund und fühlte sich sauwohl.

14
     
    E in merkwürdiger Ort, den Pavel Samson da zum Essen ausgesucht hatte, dachte Toftlund. Sie hätten ebensogut in Kopenhagen oder Hamburg oder womöglich Peking sein können. Das Lokal funktionierte von vorne bis hinten nach amerikanischem Konzept. Von dem jüngeren Mann im weißen Hemd, Schlips mit einfachem Knoten, scharfen Bügelfalten und dem

Weitere Kostenlose Bücher