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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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die Waffen-SS neu und gliederte die kleinen nationalen Einheiten in größere Regimenter ein. Die Dänen gehörten dem Freikorps Dänemark an.«
    »Ich verstehe«, sagte Toftlund, obwohl er bislang nur aus den Berichten seines Vaters von diesen verwirrten Dummköpfen erfahren hatte.
    »Nun waren sie in das Regiment Dänemark eingegliedert und in der Division Nordland organisiert worden. Sie waren in Jugoslawien, um sich zu erholen, ein bißchen was auf die Rippen zu kriegen und die Zusammenarbeit mit den anderen Nationalitäten in der Division zu üben, um dann wieder an der Ostfront gegen die Sowjetunion eingesetzt zu werden. Anfangs liebten sie Kroatien. Man muß sich das vorstellen, hier war Sonne und Wärme und mehr als genug zu essen. Sie kamen aus dem kalten Norden oder aus der frostigen Hölle der Ostfront, und in Kroatien gab es Palmen, exotische Früchte, Nüsse, Wein, den guten Sliwowitz und schöne Frauen. Was für ein Paradies für diese Frontschweine!«
    Samson machte eine Pause. Toftlund sah ihn an. Von dem Gin und dem Wein war die Farbe in seinem Gesicht noch intensiver geworden. Toftlund wollte keinen Kognak, wartete aber geduldig, während der kleine Slowake einen großen Schwenker Kognak bestellte. Das summende Stimmengewirr verschiedener Sprachen stieg zu der weiß gestrichenen Decke empor und rankte sich um die Reklameschilder für alte amerikanische Autos herum, die in scheinbar zufälliger Ordnung an den beigefarbenen Wänden hingen. Der kurzgeschorene junge Mann mit der Lederjacke bezahlte sein Bier und schritt so langsam aus der Tür, als hätte er alle Zeit der Welt. Die vier Mafiosi mit der Blondine waren bei den Zigarren angelangt. Sie hatten die Köpfe zusammengesteckt, der Tisch war mit den Resten ihrer Mahlzeit übersät. Sie führten ein intensives Gespräch – aber worüber? Die stark geschminkte Blondine steckte sich eine neue Zigarette an und starrte mit leerem Blick in die Luft. Samson fuhr fort:
    »Die jungen Dänen kamen Ende August 1943 und wurden in Orten wie Sisak, Glina und Petrinja südlich von Zagreb einquartiert. Manche auch unten an der Adria nahe Dubrovnik. Im September kapitulierten die italienischen Streitkräfte, und die erste Aufgabe der Dänen war die Entwaffnung der Italiener, um zu verhindern, daß diese zu Titos kommunistischen Partisanen überliefen oder daß die Partisanen sich der italienischen Waffen bemächtigten. Die meisten Italiener wollten einfach nach Hause. Denen war alles egal. Tito eroberte viel Material und intensivierte den Partisaneneinsatz. Mit Angriffen aus dem Hinterhalt, aber auch mit richtiggehenden Offensiven gegen die deutschen Truppen und ihre kroatischen Helfer. Pardon wurde nicht gegeben. Gefangene wurden kaum gemacht.« Samson nahm einen tiefen Schluck aus seinem Kognakschwenker und fuhr fort:
    »Unter den jungen Dänen befand sich der Sturmbannführer Jargen Pedersen. Ein gutaussehender Mann mit dunkelblondem Haar und grünen Augen. Ein richtiger Arier, Nazi und SS-Mann aus Überzeugung. Das Eiserne Kreuz aus dem Feldzug gegen die Russen im Jahr zuvor. Freiwilliger seit 1941. Stolz darauf, unter Dannebrog und Hakenkreuz zu kämpfen. In dieser Reihenfolge…«
    »Für Namen scheinen Sie eine Ader zu haben.« Toftlund konnte sich nicht zurückhalten, ihn zu unterbrechen. »Dannebrog, Jergen: Ihre Aussprache ist fast perfekt.«
    »Das ist eine Geschichte, die mich interessiert.«
    »Entschuldigen Sie, daß ich Sie unterbrochen habe.«
    »Einen Kognak? Ach nein, Sie wollten ja nicht. Die dänische Fahne auf der Uniformjacke war ihm wichtiger als die SS-Runen auf dem Kragenspiegel. Wie alle anderen haßte er Juden und Bolschewisten. Sie waren schuld an der Krise der dreißiger Jahre, an Armut und Arbeitslosigkeit. Die Demokratien hatten Bankrott gemacht. Wenn man Kommunist wurde, argumentierte man übrigens ganz ähnlich. Kommunismus und Nationalsozialismus waren immer so etwas wie teuflische Spiegelbilder füreinander. Deshalb haßten sie sich so. Sie erblickten sich selbst im Spiegel und konnten den Anblick eigentlich nicht ertragen. Aber entschuldigen Sie meinen Exkurs. Das ist ein Teil meines Erbes. Diese beiden unheimlichen Ideen. Also, Hitler wollte eine neue Welt erschaffen. Und Pedersen wollte dabeisein. Kroatien veränderte sein Leben. Durch zwei entgegengesetzte, aber gleich starke Kräfte: das Böse und die Liebe. Am Strand, an den sie in ihrer Freizeit fuhren, traf er ein junges Mädchen von zwanzig Jahren mit blauschwarzem

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