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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Schildchen »Shiftmanager« über die kleinen flinken Kellnerinnen, die für ihre kurzen Röckchen nicht immer die passenden Beine hatten, bis hin zur Menükarte mit ihren Hamburgern und Steaks und Fritten in allen Ausgaben. Das Lokal war groß und hatte eine lange Theke, an der drei anscheinend hier ansässige Engländer langsam und träge von Golfhandicaps sprachen. Die Tischtücher waren rotweiß kariert wie in einer Pizzeria. Die Kellnerinnen trugen lächerliche Karnickelöhrchen auf dem Kopf und wurden von dem mürrischen »Shiftmanager« herumkommandiert. Eine kleine Gesellschaft in Anzügen sprach auf tschechisch über verwickelte Geschäfte. Vielleicht an der Börse. Zumindest fing Toftlund zwischendurch das Wort »stockmarket« auf. Es waren vier kräftige Männer, deren Anzüge zwar offensichtlich vom Schneider stammten, aber trotzdem nicht recht saßen. Als ob sie eher enge Jeans und Lederjacken gewohnt waren. Eine junge Blondine mit halb entblößtem Busen, die ihren Teller nicht angerührt hatte, hielt einen Drink in der Hand und langweilte sich mit ihrer Zigarette. Die Männer ignorierten sie. Es roch ein wenig nach Reinigungsmittel und Frittiertem. Vor allem letzterem. Obwohl die großen roten Steaks oder Hamburger mit Bergen von Pommes frites eigentlich ganz einladend aussahen. Die Preise auf der Karte würden sogar in Kopenhagen als teuer gelten, aber das Haus war fast voll.
    Samson und Toftlund wurde ein Tisch nicht weit von der Bar angewiesen. Man saß in kleinen, offenen Boxen. Alles sehr amerikanisch. Samson rutschte auf die Bank, während Toftlund einen Stuhl vorzog. Auf der Stelle kam die Karte mit einem Glas Eiswasser und einem How-are-you-all-today mit tschechischem Akzent. Das war alles dermaßen künstlich, daß Toftlund sich nicht verkneifen konnte zu sagen:
    »Sehr tschechisch, Herr Samson.«
    Pavel lachte sein helles Lachen.
    »Teuer wie nur was. Für mich exotisch. Deswegen.«
    »Okay.«
    »Und dann ist der Ort ein Teil unserer neueren Geschichte. Unser Weg vom Kommunismus zur goldenen Zukunft des Kapitalismus. Hier war früher ein gutes altes tschechisches Restaurant mit Schweinekoteletts, Rotkohl und Kartoffel- und Semmelknödeln. Angemessenes Essen zu angemessenen Preisen sogar unter den Kommunisten. Große, frisch gezapfte Biere. Dann wurde es privatisiert, aber dabei entstanden, wie soll ich sagen, gewisse Unstimmigkeiten zwischen den Geschäftspartnern, und diese Meinungsverschiedenheiten wurden entschieden, indem man das Restaurant schlichtweg in die Luft sprengte.«
    »Interessant«, sagte Toftlund und wartete auf die Fortsetzung.
    »Ich glaube, ich werde einen Gin Tonic und eine Kartoffelsuppe und danach ein Steak mit Champignons zu mir nehmen«, sagte Samson statt dessen und sah Toftlund an.
    »Ich nehme das gleiche.«
    »Und eine gute Flasche Wein. Und schon hätte ich einen ganzen Monatslohn ausgegeben. Das Haus hier war ein paar Monate lang eine Art Bauplatz. Keiner hatte Lust, etwas damit anzufangen, nachdem die Mafia so deutlich ihr Interesse angemeldet hatte. Aber dann kam ein Mann aus den großen USA in die Stadt geritten. Tschechoslowake der dritten Generation mit ordnungsgemäßen Papieren, aus denen hervorgeht, daß das Haus seiner Familie gehört hat, ehe es die Kommunisten 1948 in Volkseigentum überführten. Er bekam es zurück, kostenlos, und das hier ist das Ergebnis.«
    »Und was ist mit der Mafia?«
    Samson zuckte die Schultern.
    »Keine Ahnung, aber ich frage mich, ob er sich nicht freigekauft hat oder einen Schutzzoll bezahlt. Das Geld ist es ja, was heutzutage zählt. Ideen und Utopien haben bankrott gemacht, wenn man so sagen darf.«
    »Und er konnte sein Haus einfach so zurückbekommen?«
    »Wenn er versprach, es instand zu setzen. So ist das Gesetz. Der tschechische Präsident und everybody’s darling Havel ist ein sehr reicher Mann. Sein Familiensitz ist ihm zurückgegeben worden. Es gibt da noch viele andere Sachen. So müssen Leute, die fünfzig Jahre in den Häusern gelebt haben, ihre Sachen packen und ausziehen. Oder die marktübliche Miete zahlen, und das können die wenigsten. So ist der Kapitalismus«, sagte er, und Toftlund mußte an ein altes, vergessenes Kampflied aus seiner Kinderzeit denken.
    »Na ja, sie haben ja auch in gestohlenem Eigentum gelebt.«
    »Vielleicht, Herr Toftlund, vielleicht. Wollen wir bestellen?«
    Essen und Getränke kamen schnell und waren hübsch auf Tellern angerichtet. Es schmeckte weder gut noch schlecht. Es

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