Die guten Schwestern
Haar, schönen braunen Augen und einer Haut so olivenfarben und glatt, nie hatten seine groben Hände so etwas Feines und Zartes berührt. Sie war die Tochter des Bäckers. Sie trafen sich zunächst am Strand, dann zum Tanz, denn sie wohnte nur zehn Kilometer von dem Städtchen entfernt, in dem die Dänen stationiert waren. Der Vater war der Vorsitzende der örtlichen politischen Abteilung der Ustascha. Die beiden verliebten sich Hals über Kopf ineinander. Sie versuchten, Tag und Nacht zusammenzusein. Sie versuchten, den Krieg zu vergessen, zu vergessen, daß an der grausamen Ostfront das Siegesglück wechselte. Eines Tages, als Pedersen mit seiner Gruppe auf Patrouille war, fand er eine andere Gruppe, die in einen Hinterhalt geraten war. Seine Kameraden lagen nebeneinander auf einer grasbewachsenen Böschung. Die meisten waren Dänen, dann noch einige Norweger und ihr kroatischer Führer, alle in der gleichen Stellung auf dem Rücken. Jedem war der Schwanz abgeschnitten worden, und die Partisanen hatten ihn ihnen in den Mund gesteckt. So lagen sie da, als hätten sie sich zur Parade aufgestellt.«
Samson machte eine Pause.
»Ich glaube, ich möchte den Kognak doch«, sagte Toftlund. Er sah die Szene deutlich vor seinem inneren Auge.
»Gern.« Samson winkte der Bedienung, deutete auf sein Glas und hielt zwei Finger in die Höhe. Langsam leerte sich das Restaurant. Mittlerweile waren nur noch vier, fünf Tische besetzt, darunter der Tisch mit den vier Männern im Anzug und der gelangweilten Blondine. Einer der vier sprach in sein Handy. Die anderen hörten mit, während sich die Frau um den Rest ihres Drinks und eine neue Zigarette kümmerte. Toftlund nahm dankbar einen so großen Schluck seines Kognaks, daß er sich, als der scharfe Alkohol durch die Mundhöhle und dann die Speiseröhre hinunterrann, fast daran verschluckt hätte.
»Der Anblick war nicht ungewöhnlich«, fuhr Samson unbeirrt fort. »Denn die vorherrschende Triebkraft auf beiden Seiten war die Rache. Pedersen und seine Regimentskameraden erfuhren durch ihre Spione, daß sich die Partisanen, die für den Hinterhalt und das Massaker an ihren Kameraden verantwortlich waren, in einem Dorf nur fünfzehn Kilometer von ihnen entfernt aufhielten. Von dort wollten sie am nächsten Morgen wieder verschwinden. Die dänischen SS-Soldaten zogen los und lagen im Morgengrauen bereit, aber aus dem Dorf kamen keine Partisanen, still und ruhig lag es an einer Biegung des Flusses. Da rückten sie selber ein und durchsuchten die Häuser, aber sie fanden keine Waffen. Trotzdem fingen sie an, die Männer und Jungen des Dorfes systematisch aufzuknüpfen, einen nach dem andern. Wie die gekreuzigten Sklaven nach dem Spartacus-Aufstand in Capua. Da hingen sie in einer Reihe. Jedesmal fragte der dänische Sturmbannführer: Wo sind die Terroristen? Die Frauen, die auf dem Dorfplatz zusammengetrieben worden waren, weinten, flehten und baten und stritten ab, daß sie die Partisanen beherbergt hätten. Dann wurde wieder ein Mann oder ein Junge aufgehängt.«
»Aber das war doch ein kroatisches Dorf.«
»Nicht alle Kroaten waren deutschfreundlich. Wie gesagt, auch Tito war Kroate. Auf dem Balkan ist nichts einfach, Herr Toftlund.«
»Was passierte dann?«
Samson nahm wieder einen Schluck, tupfte sich mit der zerknüllten rotkarierten Serviette fast geziert den Mund ab und sagte:
»Als alle Männer und Jungen gehängt worden waren, trieben sie die Frauen und Kinder in die Kirche, steckten sie und die übrigen Häuser des Dorfes an und brannten alles nieder. Eines von vielen Massakern damals wie heute. Den SS-Soldaten ging es hinterher, als der Blutrausch überstanden war, nicht besonders gut. Sie tranken, um zu vergessen, aber einige, unter ihnen Pedersen, konnten die inneren Bilder nicht verscheuchen. Er kam nie darüber hinweg. Er hatte den Glauben an die Sache verloren. Seinem Selbstverständnis nach war der Kampf gegen die Bolschewiken und die Deportation der Juden das eine, aber hier waren es ja die Landsleute seiner Geliebten, die das Böse ereilt hatte. Die Liebe und das Böse rangen in seiner Brust, auch noch, als sie im Dezember wieder an die Ostfront mußten – und sehr viel weniger waren als bei ihrer Ankunft in Kroatien.«
Samson leerte sein Glas. Toftlund ließ seines zunächst stehen, schob es dann aber zu dem Slowaken hinüber, der es in die Hand nahm und die dunkle Flüssigkeit im Glas schwenkte, als wäre es sein erster Kognak, dessen Aroma sich erst
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