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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Namen, aber ihr richtiger ist Maria Borija Pedersen. Letzteren hat sie natürlich nie benutzt.«
    »Und was hat sie als Bezahlung dabei?« fragte Toftlund, obwohl er es eigentlich schon wußte. Samson antwortete nicht, er kniff die Augen zusammen. Die Tür war aufgegangen. Toftlund saß mit der Seite zu ihr. Samson hatte der Tür eher den Rücken zugewandt, drehte sich jetzt aber um. Zwei Männer in schwarzen Lederjacken betraten das Lokal. Ihre Gesichter waren von Motorradhelmen mit schwarz getönten Visieren verdeckt. Samson und Toftlund sahen es gleichzeitig: die russischen Makarowpistolen, die, an die Hosennaht gepreßt, fast mit den dunklen Jeans verschmolzen, sich dann aber auf unheimliche Weise davon trennten, weil die beiden Männer synchron die Arme hoben, als hingen sie an den Fäden eines der Puppenspieler auf der Karlsbrücke. Toftlund und Samson sahen es, aber nur Toftlund reagierte schnell genug. Er wälzte sich seitlich aus der Box auf den Boden, wobei er instinktiv nach der Pistole griff, die er wie immer im Gürtel trug. Er rollte unter den Nachbartisch, als der erste Schuß fiel. Er sah, wie die Hälfte von Samsons Gesicht wegflog, als ihn die schweren Dumdumgeschosse aus kurzer Entfernung trafen. Als Toftlund weiter über den Boden rollte, hörte er die Schreie der Bedienung und blickte in das verblüffte Gesicht der Blondine, die auf den anwachsenden roten Fleck zwischen ihren Brüsten starrte. Der Mann neben ihr faßte sich an die Schulter und fiel auf sie. Toftlund versuchte wegzukriechen. Der eine Behelmte machte zwei Schritte vorwärts und zielte mit gestrecktem Arm und zwei Händen auf Toftlund. Nichts geschah. Toftlund merkte, wie der Mann noch einmal abzudrücken versuchte, aber die Waffe funktionierte wieder nicht. Vielleicht eine Ladehemmung. Toftlund packte das Bein des nächstbesten Stuhls und schleuderte ihn mit aller Kraft gegen die Knie des Schützen, der einige Schritte zurückwankte. Er brüllte irgend etwas, was das allgemeine Geschrei übertönte, und sein Partner wandte den Blick vom Rest des Lokals weg und schwenkte die Pistole auf Toftlund, der die Bewegung wie in Zeitlupe sah. Er wollte wegkriechen, aber es war, als könnte er seine Muskeln nicht kontrollieren, weil er am Boden festgenagelt war. Dann hörte er neue Schüsse. Es war ein anderer Ton. Wie aus einem Revolver. Das kurze, harte Gebell einer Smith and Wesson. Der eine der beiden Behelmten wurde herumgerissen und fiel über die Theke, wo die drei Engländer so friedlich über das Golfspielen geplaudert hatten. Der andere wandte sein Gesicht und den Arm mit der Pistole den beiden Männern im Anzug zu. Der eine hielt einen kurznäsigen Revolver in der Hand. Sein Gesicht war vor Erstaunen und Angst verzerrt. Der andere klammerte sich an die Tischkante wie an einen Rettungsring, der ihn vor den erwarteten Projektilen schützen sollte. Sein Gesicht war weiß, und Speichel lief ihm aus den Mundwinkeln. Wieder knallte der Revolver, aber das Klirren des Spiegels hinter ihm verriet Toftlund, daß die Kugel den Attentäter verfehlt hatte. Der fröstelte eine Sekunde, als hätte er den Luftzug des Projektils verspürt und als wäre er verwundert, noch am Leben zu sein, er schaute kurz auf seinen Kumpel, drehte sich auf dem Absatz um und rannte aus der Tür. Der Geruch von Kordit überlagerte den Friteusengestank und den Rauch der Zigaretten. Und das einzige, was noch zu hören war, war ein Schluchzen aus einer der hinteren Ecken und das regelmäßige Tropfen von Pavel Samsons Blut auf das frisch verlegte, schön versiegelte Parkett.

 
     
    DRITTER TEIL
    Irmas heimliches Leben
    »Es klingt wie ein Kriminalroman,
    aber die Kriminalromane sind
    wie das Leben; sie sind lebenswahrer als du.«
    Graham Greene, Zentrum des Schreckens

15
     
    M eine liebe gute Schwester,
    ich schreibe Dir in dem Wissen, daß Du meinen Brief wohl nie erhältst, aber Du bist die einzige, der ich etwas zu sagen habe. Sie haben mir meinen Computer gebracht, haben aber natürlich vorher jede noch so kleine Datei kopiert. Ich kann mich nur darüber amüsieren, daß die blöden, ungebildeten Bullen in diesem Augenblick meine Arbeit Die neue Rolle der Frau in der globalisierten, spätkapitalistischen Wirtschaft – eine literarische Untersuchung studieren, aber sonst gibt es hier nichts, worüber man sich amüsieren könnte. Ich schreibe in unserer gemeinsamen Sprache, Deutsch, und habe meine Worte kodiert. Vielleicht können sie den Kode knacken. Es ist mir

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