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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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Isabelle anrufen.

35
    –Ich weiß nicht, sagte sie, und als Andras ungeduldig fragte, –warum weißt du nicht, wie es dir geht?, gab sie keine Antwort. Man hörte ein Rauschen in der Leitung, und es war schwer, sich vorzustellen, daß es nicht tatsächlich eine Leitung, etwas Dünnes, aber Solides gab, das sie auf irgendeine Weise verband. Andras drehte sich um, öffnete das Fenster, obwohl es draußen kühl war, herbstlich schon, und beugte sich ein Stück hinaus, als müsse er die Entfernung zwischen sich und Magda einmal noch vergrößern. Er hielt das Telefon fest umfaßt, damit es nicht hinunterfiel, und da Isabelle nichts sagte, hielt er, dachte er bei sich, ihr Schweigen in der Hand, hielt es aus dem Fenster, konnte es tragen, wohin er wollte. Sie sagte nichts. Und nachdem er den Fernsehturm betrachtet hatte, das im Tageslicht blasse Aufleuchten und Verlöschen der Reklametafeln, wandte er sich zurück, trat zum Tisch, an dem Magda saß, nahm ein Papier und einen Stift und schrieb, wenn du mich noch willst, ziehe ich zu dir . Magda lächelte, berührte leicht seine Hand und ging ins Schlafzimmer. –Isabelle, was ist mit dir? fragte er noch einmal. Sie sagte noch immer nichts, er konnte hören, wie sie atmete, flach, schabend, wie ein Tier, dachte er, das im Käfig hin- und herläuft, er ärgerte sich darüber. –Andras, kannst du mich besuchen kommen? Er spürte, wie das Telefon in seiner Hand feucht wurde. Drei Monate früher, er spürte einen stechenden Schmerz, wenn sie ihn drei Monate früher gefragt hätte, wäre er nachts ins Büro gelaufen, um einen Flug zu buchen. –Andras, sagte Isabelle, kannst du kommen?
    –Ist etwas passiert? fragte er, geht es dir nicht gut? Ihr Atmen stockte, für einen Moment war es ganz still. Im Schlafzimmer raschelte etwas, vermutlich hatte Magda sich mit einem Buch hingelegt, wartete, bis er fertig telefoniert hatte. Vom Dachboden konnte er Schritte hören, armer Herr Schmidt, dachte Andras, was sollte aus ihm werden, wenn er auszog und die Besitzer anfingen, das Haus zu sanieren? Er ging wieder ans Fenster, schaute nicht hinaus, sondern drehte sich um und betrachtete das alte Sofa von Tante Sofie und Onkel Janos. Erinnerst du dich an das rote Sofa, wollte er sagen, aber er unterließ es. Sie wußte auch so, daß er nicht kommen würde. Zu spät, dachte er, nur war das nicht die richtige Beschreibung, denn die Zeit und was in ihr geschah war nie ein und dasselbe, nie eine Linie, die unregelmäßig verlaufen mochte, sich aber zurückverfolgen ließ. Die Zeit verbindet nichts, dachte er. Sie zerstückelt auch nichts; verbindet nicht, zerstückelt nicht, wie halten wir das nur aus. Als wäre, was Isabelle und ihn verband, ebenso ausgedient wie das Sofa, ein Gegenstand, der nicht länger gebraucht wurde, gleichgültig, wie viele Erinnerungen sich damit verknüpften. –Ich glaube nicht, sagte er, korrigierte sich. Nein, Isabelle, ich komme jetzt nicht nach London. Sie schwieg, dann lachte sie, lachte mit der vertrauten, geliebten Stimme, Schulranzenstimme, dachte er, noch einmal, und er sah das Mädchen mit dem roten Rock vor sich, rennend. –Zeichnest du viel? unterbrach er ihr Lachen. –Malst du wieder? fragte sie zurück, es war etwas unangenehm Scharfes in ihrer Stimme. –Ich ziehe zu Magda, sagte er, vielleicht fange ich bei ihr wieder an zu malen.
    –Deswegen kommst du nicht?
    Es gab Andras einen Stich ins Herz. –Und Sonja ist wirklich schwanger? fragte Isabelle, und ihr seid in die Potsdamer Straße umgezogen, und du ziehst zu Magda, nach Charlottenburg? Es wird nichts mehr so sein, wie es war, sagte sie, dann legten sie beide auf.
    Magda war beim Lesen eingeschlafen, er deckte sie behutsam zu, schrieb ihr einen Zettel und ging hinaus. Auf der Torstraße war nur wenig Verkehr, er dachte, daß er Jakob anrufen könnte, dann tauchte plötzlich wie aus dem Nichts ein Auto auf, hupte, und Andras sprang auf den Bürgersteig, stolperte. Mit den Händen konnte er den Sturz aufhalten, so daß seinem Gesicht nichts passierte, aber sein Knie war aufgeschlagen, die Handflächen brannten, beide Ballen waren aufgeschürft. Eher verblüfft als erschreckt setzte er sich auf und betrachtete durch den Riß des Stoffes sein Knie. Anscheinend war er auf ein spitzes Steinchen oder eine Scherbe gefallen, aus einer etwa drei Zentimeter langen Wunde quoll das Blut, sammelte sich und lief, unter dem Stoff, das Schienbein entlang. In der Jackentasche suchte er nach einem Taschentuch,

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