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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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wußte, daß sie Polly suchte. Aber er schaute nicht zu ihr hin, bückte sich, packte die beiden Stangen des Karrens und zog, kam kaum von der Stelle, und da näherte sich der Bus, der die Alten abholte, der Fahrer klappte das Trittbrett aus, klingelte gegenüber, es war ein anderer Mann, der schnell die Alte von gegenüber in den Bus hievte und wieder losfuhr. Die Glocke war jetzt schon viel weiter entfernt, bimmelte leiser.
    Nachmittags kletterten die Kinder in den Garten, kamen zur Verandatür, preßten ihre Gesichter an die Scheibe und grimassierten. Sara duckte sich hinter einen Stuhl. Sie suchten im Gras, der eine Junge setzte sich einen Eimer auf den Kopf, balancierte ihn auf dem Kopf, die anderen stellten sich im Kreis auf und klatschten, dann liefen sie zur Mauer, kletterten weiter in den nächsten Garten, in dem die Frau wohnte, die Polly mitgenommen hatte.
    Am nächsten Tag war das Brot aufgegessen und die Milch ausgetrunken. Sara schlief noch einmal ein, auf dem Fußboden, blinzelte, als sie aufwachte, gegen die Sonne, die durch die Verandatür schien; da war wieder der Staub, langsam glitt er durch die Sonnenstrahlen, herab und herab, schwebte lautlos, tanzte nicht mehr, sondern glitt zu Boden, als wären sie tot, die Prinzessinnen tot, weil der Prinz nicht kam. Sie zog unter dem Sofa die Jacke hervor, schüttelte sie aus, so gut es ging, breitete sie auf dem Boden aus, die Arme ausgestreckt, blau, leuchtend, streichelte vorsichtig darüber. –Die wichtigen Dinge gehen nicht verloren, sagte Dave, sie tauchen wieder auf, aber er sah traurig aus, als er es sagte. Sie hob die Jacke auf und ging los, die Jacke schleifte auf dem Boden, sie mußte den Arm höher halten.
    Hinter ihr fiel die Tür ins Schloß. Zögernd ging sie durchs Törchen, stand auf dem Trottoir und schaute auf das Nachbarhaus, die Jacke in beiden Armen haltend. Ein Mann mit einem gelben Rucksack lief vorbei und lächelte sie an. Um die Ecke spielten die Kinder, Sara hörte sie rufen und preßte sich an ein Auto. Einen Moment glaubte sie, Polly hinter dem Fenster im ersten Stock zu sehen, aber es war nur etwas Weißes, das sich nicht bewegte, sosehr sie auch hinschaute, und dann war es eine Blume, –wonach hältst du Ausschau, fragte ein Mann freundlich, und Sara preßte die Jacke an sich und sagte – auf meinen Bruder, ich warte auf meinen Bruder, er holt mich ab.
    Später versteckte sie sich zwischen dem Auto und dem Baumstamm, wenn ein Passant kam, und dann wurde es Nacht, überall sonst brannte in den Wohnungen Licht, nur bei ihr zu Hause und bei der Frau, die Polly mitgenommen hatte, blieb es dunkel. Sie hoffte, daß ihre Eltern nach Hause kommen würden, nur, damit sie das Licht anmachten, damit es nicht aussah, als würden sie alle vier nie wieder dort wohnen. Sie starrte die Fenster an. Tante Martha hatte dort gewohnt und war gestorben, und dann war sie mit Mum und Dad und Dave und Polly eingezogen, und Dave war weg. Er hatte ihr erklärt, daß Erwachsene starben, Kinder nicht, aber er hatte auch gesagt, daß man die wichtigen Sachen wiederfand, daß sie wieder auftauchten, und jetzt war es zu spät. Leise sagte sie ihren eigenen Namen, Sara, und dann rief sie leise nach Polly. Polly und Sara. Sie kauerte an dem Baumstamm, der gefleckt war wie eine Schlange. Ihr war kalt, aber sie durfte die Jacke nicht anziehen, falls die Frau doch noch kam. Sie fürchtete einzuschlafen und die Frau zu verpassen, sie murmelte abwechselnd die Namen vor sich hin, Sara, Polly. Vielleicht konnte Polly sie nicht sehen, weil sie weg war. Ihr war kalt. Sie stand auf, und dann fing sie an zu rufen. Als von hinten Hände ihre Schulter festhielten, schrie sie auf.

    Er war nett gewesen, er hatte ihr und Dave eine große Tüte Pommes gekauft, Dave hatte gesagt, daß Jim ein Freund von ihm war, –was machst du hier, fragte er und sagte, daß sie keine Angst haben müsse, und er wußte alles. Er wußte, daß Dave nicht wiederkam und Polly verschwunden war, daß die Frau Polly mitgenommen hatte, er nickte und nahm die Jacke und sagte, daß er ihr helfen würde, er guckte die Jacke lange an und roch daran, er grinste dabei, und dann hielt er sie fest am Arm, zog sie die Straße hinunter, weg von dem Haus, –aber Polly, sagte sie, Polly ist da drinnen. Er zog sie weiter, über die Asham Road und weiter die Straße hinunter, und sie hatte Angst, weil sie ihn angelogen hatte. Im Garten, versuchte sie zu erklären, daß sie im Garten gewesen war, mit einem

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