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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Es schmeckte so, wie man sich den Geschmack von Petroleum vorstellt - klebrig-bitter - und verkleisterte Kehle und Magen wie Magnesiummilch. So fühlte es sich jedenfalls an, so stellte Chloe es sich vor.
    Noch acht Stunden. Vier Doppelstunden.
    Sie hatte Ningals Anweisungen, die Skizze des Grabes und die Anordnung der Grabbeigaben in ihr Gedächtnis eingemeißelt. Jetzt würde ihr das Gegengift helfen, diese Erinnerung wach zu halten. Das Nepenthe sollte den Frauen den Tod erleichtern - es würde sie nicht mehr interessieren, was mit ihnen geschah und warum es geschah. Chloe durfte auf keinen Fall vergessen, was und warum es geschah, weil sie entsprechend reagieren musste. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, um den flüssigen Schutz möglichst vollständig aufzunehmen.
    In Ur schien die Luft vor Spannung zu vibrieren. Gerade hallten neue Trommelwirbel durch die Stadt, um die Sterndeuter zu versammeln, um das Volk zu warnen. In zwei Doppelstunden würden sie erneut donnern.
    Das Gift hinterließ einen widerwärtigen Nachgeschmack, doch Chloe wagte nicht, ihn irgendwie wegzuspülen. Das Zeug wird dich erlösen, ermahnte sie sich. Und Erlösung schmeckte oft bitter.
    Schweigend schauten die Bürger von Ur zum Himmel auf. Die Sonne leuchtete immer noch, doch direkt daneben war nun der Schatten des Mondes auszumachen. Kinder krallten sich an ihren Vätern fest, Söhne bauten sich breitbeinig auf, der Zukunft trotzend, die Götter herausfordernd. Hin und wieder stieg ein ersticktes Hicksen, ein heruntergeschlucktes Schluchzen aus der Menge auf, doch ansonsten blieben alle still.
    Mit lautem Dröhnen begleiteten die Trommeln, die riesigen Kesselpauken, die von zwei Trommlern geschlagen werden mussten, die Prozession durch die Tempelanlagen.
    Alle Reichtümer der Stadt - Goldgefäße, Möbel mit Intarsienarbeiten, juwelenbesetzte Waffen - das Allerbeste, was das Gemeinwesen zu bieten hatte, rollte in von Ochsen gezogenen Karren vorüber. Ein letzter Versuch, die Götter zu bestechen.
    Gleich darauf folgten die Frauen, die reizendsten unter den Ehefrauen und Schwestern, Müttern und Töchtern von Ur, gekleidet in Gewänder aus weichster Wolle, geschmückt mit gewobenen Diademen, mit Edelstein-besetzten Kragen und Goldreifen in den Ohren. Karneol-, Lapislazuli-, Achat- und Malachitperlen zierten die Hälse. Perlenbesetzte Gürtel mit Fransenenden fielen ihnen beinahe bis auf die Sandalen.
    Über all ihnen thronte, sitzend ihre letzte Reise antretend, die Ensi, die für das Volk, die Stadt ihr Leben geben würde. Puabis Diadem bildete einen Kranz aus goldenen Blättern und Blüten, von dem Hunderte schmaler Reifen in ihre Stirn hingen. Über ihren Kopf erhob sich, bei jeder Bewegung wippend, ein Strauß von Lapislazuliblüten.
    Die gut aussehenden Priester und Diener trugen Röcke aus allerfeinstem Filz und mit Gold durchwebte Schärpen. Alle hatten Siegel und Zylinder abgelegt, denn dies war keine Beerdigung; die Frauen begleiteten die Ensi auf einer langen Reise. Ihr Opfer wurde für alle Ewigkeit erbracht. Sie ließen nicht nur die Sonne hinter sich, um in die Schattenwelt von Kur einzugehen, sondern auch ihre Namen und ihre Identität, um als Un-bekannte begraben zu werden.
    Die Minuten verstrichen, während die Prozession vorüberzog.
    Der Mond rückte näher an die Sonne heran.
    Der in die Grube führende Schacht war von Priestern gesäumt, deren Speere zu Boden gerichtet waren. Bevor die Frauen in die Tiefe der Erde hinabstiegen, wurde jeder von ihr ein goldener Kelch gereicht. Rudi hörte die Ringe am Kopfschmuck der Frauen leise klirren.
    Dann setzte die Finsternis ein; der Mond begann an der Sonne zu knabbern. Mit zusammengekniffenen Augen starrten die Menschen zum Himmel auf oder sie verfolgten das Ereignis im Spiegelbild der riesigen, im Hof eingelassenen Teiche. Die Schatten auf dem Boden waren sichelförmig, ein Abbild der halb verschlungenen Sonne. Immer schneller zog die Prozession vorbei, bis die Erde erst zehn, dann zwanzig, dann vierzig Frauen verschlungen hatte -
    Und schließlich auch die Ensi.
    Der Himmel nahm einen gespenstisch violetten Farbton an, als wollte er die Bürger von Ur erdrosseln. Die Menschen begannen leise zu wimmern. Die Prozession wurde fortgesetzt, inzwischen waren schon sechzig Frauen in die Grube gewandert, dann siebzig, dann folgten fünf Soldaten -
    Rudi war verblüfft; die Khamitin hatte es wirklich getan. Ihr Leben für das Volk gegeben. Tränen raubten der Sterndeuterin

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