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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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geglaubt. Natürlich musste Kidu diesen Eindruck erwecken, wenn er mit Chloe fliehen wollte. Anders konnten die beiden nicht zusammen bleiben. Obwohl Ningal nicht die leiseste Ahnung hatte, womit der En in Zukunft seinen Lebensunterhalt bestreiten wollte.
    Ob sie wohl einmal an ihn gedacht hatte?, überlegte er. Nein, warum auch? Er war ein alter Kerl, der sie mit all seiner verbliebenen Kraft liebte. Ihm blieb keine Wahl, als zu glauben, dass sie das Nepenthe überlebt hatte, dass sie aus der Gruft geflohen war und Ur verlassen hatte, obwohl er keinerlei Beweis dafür hatte.
    Bald würde die richtige Puabi heimkehren. Sie würde einen neuen En erwählen. Die Welt würde sich weiterdrehen, doch Ningal vermochte nicht zu sagen, ob er je wieder wahre Begeisterung und Freude empfinden würde.
    »Richter«, sagte eine Frau und berührte ihn am Ellbogen. »Wie ergeht es dem Jungen heute?«
    Er drehte sich um und blickte in das schöne, müde Gesicht von Shems Witwe. Als Ningal das Licht in ihren Augen bemerkte, musste er lächeln. »Ezzi hat schon nach dir gefragt«, sagte er. »Er möchte dir danken.«
    FÜNFTER TEIL Die Reise

    »Ich kann nicht glauben, dass wir laufen müssen, obwohl direkt neben uns ein breiter Strom fließt«, beklagte sich Chloe. »Ich war einfach zu lange eine feine Dame. Meine Füße bringen mich noch um.« Ihr Blick wanderte über ihre Herde. »Hey, du da, komm schleunigst wieder her!«
    Cheftu sah nicht mal zu ihr herüber. »Dieser Fluss fließt nur in eine Richtung. Nach Süden. Weißt du zufällig, wohin wir wollen?«
    »Nach Norden«, bestätigte sie knurrend und mit einem finsteren Blick auf Dadi, den aufsässigen Bock. Er führte die Herde ständig vom Weg ab. Und dabei waren sie erst seit zwei Tagen unterwegs. »Irgendwie kriege ich immer mehr Lust auf Hammelfleisch«, warnte sie ihn. Das Tier tat so, als hätte es nichts gehört, kehrte aber folgsam zur Gruppe zurück.
    »Die Strömung ist zu stark, um dagegen anzurudern«, erklärte Cheftu.
    Chloe blieb stehen und schaute einer Guf voller Wildesel und Passagiere nach, die, von zwei Männern gesteuert, vorbeisegelte. »Sieht aus wie eine Achterbahnfahrt«, kommentierte sie. Das Schiff schaukelte und tanzte in der rasenden Strömung.
    »Möchtest du dich ausruhen?« Cheftu hatte ein paar Schritte weiter angehalten.
    Sie drehte sich um und blickte auf die gewundene, bunt zusammengewürfelte Menschenkolonne, die ihnen folgte. »Nein, wir können weitergehen.« Die Schafe streunten schon wieder, und Chloe trieb sie zusammen. Eine weitere Fähigkeit, die sie
    sich im Laufe ihrer Reisen angeeignet hatte.
    Die Sonne war sengend heiß, selbst im Schatten der Palmen hatte es mindestens 40°C, aber Chloe war klar, dass Cheftu vor Einbruch der Nacht möglichst weit vom Tempel wegkommen wollte. Eine Vorsichtsmaßnahme für den Fall, dass Gilgamesch oder die wieder ernannte Puabi beschließen sollten, einem möglichen Verdacht nachzugehen, was den plötzlichen mysteriösen Tod ihres Ens betraf. Chloe verscheuchte Fliegen, Mük-ken, Bremsen. Die Bäume und das nahe Wasser machten die Hitze noch unerträglicher - indem sie die Luftfeuchtigkeit auf achtzig Prozent hochtrieben.
    Sogar die Schafe schauten belämmert drein.
    Sie schleppten sich weiter. Abgeerntete Felder, von Kanälen, Gräben und Bewässerungsadern durchwoben, zogen sich wie Teppiche zu beiden Seiten des Flusses entlang. Palmen und Obstplantagen drängten sich auf den schmalen Inseln, den einzigen Flächen, auf denen kein Emmer, keine Gurken, Zwiebeln, Linsen, Erbsen und auch keine Gerste angebaut wurde. Selbst hier wirkte der Boden an den Feldrainen wie mit Frost überzogen.
    Salz.
    Im Irak der Moderne würde der persische Golf knapp zweihundert Kilometer weiter südlich liegen. Hier sah Chloe den Grund dafür.
    Schlick. Über Jahrhunderte, Jahrtausende hinweg verlandeten die Flussmündungen immer mehr, wobei sie die Küste des Golfes immer weiter hinausschoben. Der Salzgehalt des Wassers beschleunigte den Vorgang zusätzlich, indem er die Menschen auf der Suche nach fruchtbarem Boden ununterbrochen weiter nach Norden trieb. »Wissen wir eigentlich, wohin wir wollen?«, erkundigte sie sich.
    Cheftu schüttelte den Kopf, und Chloe sah die Schweißrinnsale auf seinem Rücken. Schon leuchtete goldener Flaum auf seinem Kopf, was Chloe zu der Überlegung veranlasste, wie lange es wohl dauern würde, bis die Zöpfe nachgewachsen wären. Wahrscheinlich Jahre, wenn Cheftus Haar so langsam wuchs

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