Die Händlerin von Babylon
Schlafmöglichkeiten aufzählte. »Wie ihr selbst gesehen habt, liegen unsere Felder brach. Die meisten der Freien und Sklaven, die außerhalb der Stadt leben, mussten in den Stadtmauern Zuflucht suchen.«
»Ist noch Platz für uns?«, fragte Nimrod.
»Eher schlecht als recht«, erwiderte der Mann und nahm dann das Protokoll des Schreibers entgegen. »Jeder von euch wird eine Übernachtungssteuer von 45 Prozent zahlen müssen -«
»Das ist -!«
»Zusätzlich zu der Abgabe, die ihr denjenigen Häusern entrichtet, in denen ihr nächtigen werdet, sowie dem Entgelt für die Nahrung, die wir euch und euren Familien geben, dazu die Stallmiete für eure Tiere, die Tempelsteuer, damit der Gott Ningirsu euren Aufenthalt gestattet, sowie natürlich die Gebühr für die Dienste, die ich und mein Buchhalter hier leisten.«
Inzwischen war es dunkel geworden. Mond und Sterne spiegelten sich in den Wassern, die Larsa wie ein Burggraben umschlossen.
»Fünfundvierzig Prozent wovon?«, fragte Cheftu den Mann; Nimrod funkelte ihn an, als hätte er ihn am liebsten erwürgt.
»Eurer gesamten geschätzten Habe. Als Reisende aus Ur müsst ihr ausgesprochen wohlhabend sein«, verkündete er lächelnd und zwinkerte dabei.
Cheftu richtete sich auf. »Dann möchte ich dich davon in Kenntnis setzen, dass die Bürger von Ur ihre gesamte Habe in einem Handel mit Sin hingegeben haben, damit jener sich beim Sonnengott dafür einsetzt, uns nicht auszulöschen. Keiner von uns besitzt noch irgendetwas von Wert.«
»Tja«, meinte der Mann, »wie traurig. Entweder zahlt ihr die Steuern, oder ihr wandert weiter.«
»Wohin?«, fragte Nimrod.
»Bis ihr unser Gebiet verlasst, was noch etwa eine halbe Tagesreise dauern würde, leider größtenteils durch Wasser. Ich würde euch eine Eskorte mitgeben.«
»Die wir zweifelsohne bezahlen müssen?«
»Willkommen in Larsa«, verkündete der Mann. »Entscheidet euch schnell, in ein paar Minuten werden die Tore geschlossen.«
Nimrod und Cheftu sahen einander an. »Ob sie Schafe in Zahlung nehmen?«, fragte Chloe. »Oder einen Ziegenbock?«
»Ich frage mich, ob die Menschen, die in diesen Mauern leben, genauso besteuert werden«, überlegte Nimrod. »Dann sollten sie sich erheben und diese Leute umbringen!«
»Und wie entscheiden wir uns?«, wollte Cheftu wissen.
Wasser. Möglicherweise Malaria. Chaos, Erschöpfung ... »Und wenn das nächste Gemeinwesen es genauso hält?«, fragte Chloe. »Was machen wir dann?«
»Wenn sie hier und jetzt fünfundvierzig Prozent nehmen«, überlegte Nimrod, »dann sind beim nächsten Mal fünfundvierzig Prozent wesentlich weniger.«
»Ich habe eine Idee«, sagte Chloe. »Handle aus, dass wir erst bei der Abreise zahlen müssen, und lass uns ein paar Tage hier bleiben. Und sorge dafür, dass ich in einem Haus mit großer Küche untergebracht werde.«
Nimrods Augen hellten sich auf, und er nickte. »Meinst du, dass Nirg dir helfen möchte?«
»O ja, das glaube ich unbedingt.«
Chloe fiel in der Morgendämmerung in Schlaf und erwachte erfrischt eine Doppelstunde später. Cheftu war verschwunden, weshalb sie sich in dem nicht übermäßig großen oder bequemen Bett ausstrecken konnte. Wenigstens brauchten sie heute nicht weiter zu wandern. Sie hatte eben die Augen aufgeschlagen, als etwas auf ihr Bett plumpste.
Quietschend schoss Chloe hoch.
In den Laken zappelte eine Schlange. Kreischend hüpfte Chloe aus dem Bett. Die Schlange glitt, ebenso erschrocken und rüde aufgeweckt, in die am weitesten entfernte Ecke des Zimmers.
Cheftu schleuderte die Tür auf. »Chloe?«
Splitternackt stand sie im Zimmer und sah ängstlich zur Dek-ke auf.
»Guten Morgen«, wünschte er, wobei er sie mit seinem Körper vor etwaigen Blicken von draußen abschirmte.
»Kann ich nicht gerade behaupten. Mir ist eben eine Schlange auf den Kopf gefallen.«
»Bist du verletzt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Aber ich bin wach, das steht fest.«
»Du wolltest doch wissen, wann Markttag ist. Heute, er hat eben begonnen.«
Sie kletterte in ihr inzwischen getrocknetes Kleid und gab ihm einen kurzen Kuss, bevor sie hinauslief zu den provisori-schen Buden im Suk. Ihr gesamter Plan beruhte auf zwei Voraussetzungen: ihren Kochkünsten und der Phantasie der Einwohner von Larsa.
Andernfalls wären die Ur-Emigranten um ein paar Tiere ärmer und würden die nächsten Monate in Sklaverei verbringen.
Nirg, Nimrods stille arische Frau, ging an ihrer Seite. »Wir brauchen Salbei«, zählte Chloe auf,
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