Die Händlerin von Babylon
wie ihres - wie ihres früher.
Sie hatte seinem Haar, seinem Körper die Schuld daran gegeben, dass sie sich so fühlte: trunken vor Lust. Ihre Entschuldigung dafür war die neue, exotische Hülle für jene Seele, die sie so liebte und so gut kannte. Irgendeinen Grund musste es schließlich dafür geben, dass sie die Hände nicht von ihm lassen konnte.
Er schien ähnlich für sie zu empfinden.
Es wäre ein Wunder, wenn wir es dorthin schaffen, wo Nimrod uns hinführen will, dachte Chloe. Weder ihr noch Cheftu war auch nur eine Doppelstunde Schlaf vergönnt gewesen, seit sie einander gefunden hatten. Die Begierde loderte einfach zu hoch, um nebeneinander, statt miteinander zu schlafen. Ich könnte mir vorstellen, dass ein Junkie ähnlich empfindet, schoss es ihr durch den Kopf, während sie einem Schaf einen Klaps auf den Rücken gab, um es zur Gruppe zurückzutreiben. Es war verrückt, doch wenn sie Cheftu nur berührte - dann wollte sie ihn sofort in sich spüren. Je früher, desto besser.
Und es wurde wirklich mit jedem Mal besser.
Ich muss mich ablenken, sonst kommen wir heute nicht mehr weit.
Die nächste Guf schoss vorbei, mit geblähten Segeln, die der Wind den Insassen um die Köpfe peitschte. Die Matrosen wirkten ganz gelassen und fröhlich. Chloe setzte einen Fuß vor den anderen und spürte, wie ihr der Schweiß von der Nase tropfte.
Weiter vorn ging Nimrod mit seiner Familie: seinen zwei Frauen, seinem Bruder Roo, der mit Chloe die Schule besucht hatte, sowie einer riesigen Herde von Schafen, Ziegen und Rindern. Chloe waren mittlerweile nur noch drei Schafe geblieben. Als sie auf die Liste der »Auserwählten« gesetzt worden war, hatte ihr jemand vier ihrer Schafe stibitzt. Mimi, den Ziegenbock, konnte sie einfach nicht weggeben. Als spürte er, dass sie an ihn dachte, blickte er mit seinen schalkhaften gelben Augen und mit fieberhaft mahlendem Kiefer in ihre Richtung.
Sie war nach wie vor bekleidet; Cheftu ebenfalls. Wenn auch spärlich. Schwer zu sagen, was der Bock gerade fraß.
»Hüa! Hüa!«, rief sie und trieb ihr Vieh weiter an.
Vor ihr marschierte Cheftu in seinem kurzen Schurz und mit nacktem Oberkörper.
O Mann, war das heiß ...
»Im Norden wie im Süden, im Osten wie im Westen.
Überall wartet der Steuereintreiber.«
In der Abenddämmerung hatten sie die Außenbezirke einer Stadt mit geborstenem Deich erreicht.
»Ich habe noch nie eine so flache Ebene gesehen«, stellte Cheftu fest. Weil das Land so flach war, bewirkte jede mit Wasser gefüllte Mulde, dass die ganze Welt aussah wie überflutet, ausgenommen das ummauerte Gemeinwesen von Larsa, das sich, auf Generationen von lehmigen Ruinen erbaut, im Nordosten am Horizont erhob.
Chloe rätselte, ob das Wasser, als sie in der Ebene von Shinar erwacht war, genauso tief gewesen war - zehn Zentimeter. Nur hatte sie gewusst, dass die Fluten Häuser und Menschen und Tiere unter sich begraben hatten, folglich mussten sie tiefer gewesen sein. Trotzdem wirkte dieses Bild auf eine Weise vertraut, die sie frösteln ließ. Eine Überschwemmung. »Ich sehe nirgendwo Tierpärchen vor einem Boot anstehen«, scherzte sie.
Nimrod kam zu ihnen nach hinten. »So tief ist es nicht. Passt auf, wohin ihr tretet. Die Mauern von Larsa haben das Gemeinwesen vor dem Wasser beschützt, und wir können es noch heute Abend in die Stadt schaffen.«
Sie stapften durch das nur wadentiefe Wasser. Gelegentlich erhoben sich ein paar herabhängende Gerstenähren über die Wellen, und wie abgehackt wirkende Palmen ragten aus dem blauen Wasser auf. Moskitoschwaden schwirrten über der Oberfläche, weshalb Chloe sich das Oberteil ihres Kleides um den Kopf schlang, um Ohren und Nase von den unablässig summenden Insekten freizuhalten.
Die Mauern Larsas verwitterten zusehends; die Ziegel waren nur in der Sonne getrocknet, weshalb sich der im Wasser liegende Lehm allmählich auflöste. Am Tor erwartete sie eine Reihe Männer, gekleidet in Röcke ähnlich den in Ur üblichen, schwarzhaarig oder glatzköpfig.
»Seid gegrüßt«, sprachen sie Nimrod an. »Wo habt ihr eure Reise begonnen?«
»Im großen Gemeinwesen von Ur«, antwortete er.
»Wie viele seid ihr?«
»Männer?« ;.
»Nein, insgesamt.«
Daraufhin musste erst einmal durchgezählt werden, doch mit Kindern und Frauen kamen sie schließlich auf 63 Menschenwesen und 109 Tiere.
Ein Schreiber begann das zu notieren, während der Mann, der sie zuerst angesprochen hatte, ihnen die verfügbaren
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