Die Händlerin von Babylon
Kopf. »Erinnere mich daran, dass du mir irgendwann mal mehr vom Weltraum erzählen sollst. Was während einer Sonnenfinsternis mit dem Feuer und Gas passiert.«
»Eines Tages«, murmelte sie und war eingeschlafen.
Dann war sie plötzlich wieder hellwach. »Cheftu, wie sollen wir dich hier rausbekommen?«
Er seufzte. »Ich werde ebenfalls in aller Öffentlichkeit sterben müssen.« »Dein Haar ist das Hauptproblem«, erkannte Chloe später beim Pläneschmieden. »Es ist so schön und unverwechselbar.«
Shama nickte. Und humpelte nach nebenan. Als er zurückkam, trug er eine Perücke in der Hand.
»Eine Perücke«, kommentierte Cheftu. »Schon überzeugt. Allerdings werde ich sie nicht allein mit meinem Haar überzeugen können.«
Shama schlug sich auf die Brust, hustete und sprach dann mit einer Stimme, die rostig war wie die eines Kamels: »Überlass das mir. Ich mache das. Heute Nacht lässt du dich im Tempel sehen. Dort wird dir ein Zeichen göttlichen Missfallens gegeben. Morgen bist du tot. Ich werde mich persönlich um den Leichnam kümmern, den die Götter niedergestreckt haben. Wer mich beobachtet, wird einen gesunden Mann mit Haaren und Bart sehen, den bereits die Maden verzehren.«
»Morgen? Reicht die Zeit denn?«, fragte Chloe. Sie spielte mit Cheftus langen, goldenen Zöpfen.
Shama nickte.
»Ich kann gar nicht fassen, dass du dir solche Sorgen um mein Haar machst, Chérie«, sagte Cheftu.
»Du bist einfach so verflucht sexy«, murmelte sie. »Das ist reiner Eigennutz.«
Shama beugte sich über seine Tasche und zückte eine lange, gefährlich aussehende Metallklinge. »Den Skalp!«, befahl er.
»Den Skalp!«
»Aber ohne Blut.« Er lächelte.
»Und was ist mit dem Besuch im Tempel heute Abend?«, wollte Chloe wissen.
Lächelnd deutete Shama auf Chloe und schwenkte dann die Perücke. »Ich glaube, ich bin eben zu deiner Perückenmacherin ernannt worden«, sagte sie zu Cheftu.
Shama nickte.
Sie lächelte. »Zeig mir, was ich machen muss.«
Die Priesterschaft hatte sich im Tempelhof versammelt, und ein paar Nachzügler aus dem einfachen Volk warteten vor der Umfriedung des Tempelbereichs. In ihren sternenbesetzten Roben verfolgten Rudi und Asa vom Dach des Stufentempels aus das Geschehen. Ein stummes Lamm wurde vor den En geführt. Er legte eine Hand auf den Kopf des Tieres und beugte sich darüber, um zu beten. Das Licht der Lampen flackerte über das Gold, das ihn von dem Diadem auf seinem Kopf über die abertausend Perlen an den Haar- und Bartspitzen bis zu dem schweißfeuchten, kräftigen Brustkorb und dem Schwertgurt mit leerer Scheide überzog.
Sein Anblick kündete von Macht.
Während er dem Mutterschaf mit einer Hand den Kopf streichelte, schnitt er ihm mit der anderen die Kehle durch. Blut leuchtete auf seinem Gold, und das Schaf sackte in die Knie. »Warum liest der die Omen?«, wandte sich Rudi an Asa, als der Jüngste, am wenigsten Erfahrene unter den WahrsagerPriestern vortrat. Er kauerte neben dem Tier nieder und schlitzte den Bauch vom Hals bis zum Schwanz auf. Dann griff er in die Eingeweide und löste die Leber heraus.
Die Priesterinnen sangen.
Der Priester wischte das Blut von der Leber und trat unter eine brennende Lampe. Er starrte das Organ an und blickte dann kurz zu seinem Lehrer hinüber, der im Schatten wartete.
»Noch eines.« Das Flüstern des Priesters hallte wie ein Donnerschlag durch den Hof. »Die Götter erwarten ein letztes großes Opfer.«
Am nächsten Morgen waren Chloe und Cheftu gerade auf dem Markt und feilschten um Reiseproviant, als der Ruf ertönte: »Der En ist tot! En Kidu ist tot!«
Wie alle Übrigen begannen sie erschreckt und entsetzt zu schreien. Das beste Versteck, hatte Chloe behauptet, sei mitten unter der Menge. Sie mischten sich unter die drängelnden
Menschen, die zu den Tempelmauern eilten.
Dort blieben sie stehen - Cheftu glatt rasiert und mit Glatze, mit gefärbten Brauen und Wimpern, Chloe hell getönt, mit einem Umhang über den Schultern und Armreifen um den Bizeps wie eine Hindufrau. Vorsichtig balancierte sie ihre Habseligkeiten auf dem Kopf - eine äußerst praktische frühzeitliche Begabung. Cheftus Arm umfasste kraftvoll ihre Taille, wobei er die Schultern herabhängen ließ, um weniger aufzufallen.
Aus dem Inneren der Tempelanlage wogte eine Kakophonie von Geheul und Gejammer über die Mandanten von Ur hinweg.
»Bestimmt töten sie noch ein Mutterschaf«, sagte ein Sumerer in ihrer Nähe. »Sie werden die Leber lesen
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