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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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hatte sie voller Hoffnung gewartet, hatte sie die Tage gezählt - nur um alle Träume zerschmettert zu finden. Jede Familie blieb ihr verwehrt - ihre Familie im zwanzigsten Jahrhundert ebenso wie eine neue Familie mit Cheftu.
    »Was war in Jerusalem?«, fragte sie. Ihre Erinnerungen waren durchaus lebendig, doch sie kamen ihr vor wie ein nacherzählter Film. Unreal und von ihr losgelöst. »Warum hat es mir dort nicht gefallen? Warum war ich dort nicht glücklich?«
    Cheftus Griff um ihre Hände änderte sich, und er rieb mit seinen großen Daumen über ihre Knöchel.
    »Jeden Tag musstest du zusehen, wie die Frauen an Macht verloren. Du musstest zusehen, wie die Gewalt zunahm. Du selbst hast mir erklärt, dass sich die Menschen immer mehr nach innen und weniger nach außen wenden. Wir haben den Urbeginn des Nationalismus miterlebt, Chérie. Wenn ein Land von der Theorie lebt, dass es das beste, das auserwählte, das einzige Land ist, dann bleibt kein Raum mehr für Mitgefühl.«
    Er wusste nichts von dem Schmerz, den sie in ihrem Herzen getragen hatte; und für die Mutterschaft hatte es in jener Gesellschaft keinerlei Ersatz gegeben. Eine Frau wurde nach ihren Kindern benannt. »Die Mutter Rebeccas, die Mutter Sauls.« Für eine berufstätige Frau war dort kein Platz gewesen. Und für eine grafische Künstlerin gab es in einer Stadt, die sich rühmte, frei von allen Bildern zu sein, nicht viel zu tun. Seine Soldatinnen hatte David entlassen, weil er mehr kleine Israeliten brauchte.
    »Woher willst du wissen, dass es uns hier nicht genauso ergehen wird?«, fragte Chloe plötzlich voller Furcht. »Dass wir beschließen, hier zu bleiben, hier Anker zu werfen, sodass wir nicht mehr weg können, nur damit ... alles von vorn beginnt? Eigentlich soll man mit zunehmendem Alter konservativer werden. Ich glaube, ich werde stattdessen liberaler.«
    Er hob ihre Hand an seine Lippen. »Weil dein Herz sich immer weiter öffnet, meine Geliebte. Du siehst die Welt außerhalb deiner Grenzen. Vielen Menschen bleibt diese Erfahrung verwehrt.« Er küsste sie auf die Finger, und sein warmer Mund, seine weiche Zunge ließen ihr ursprüngliches Thema wieder akut werden.
    Ich begehre ihn so sehr, dass ich am ganzen Leib zittere, dachte sie. Und ich will ihn um seinetwillen, nicht aus irgendeinem anderen Grund, nicht weil sich aus unserem Zusammensein etwas anderes ergeben könnte. »Nachdem das nun geklärt ist«, sprudelte es aus Chloe heraus, »kann ich dir versichern, dass mir das egal ist. Wenn es passiert, dann passiert es eben, und wenn nicht . Zieh dich einfach aus und -«
    Und das tat er.
    Ohne dass sie dabei die Augen bewegt hätte, sah Ima zu ihm herüber. Asshur war nie wirklich gewappnet, in ihrer Nähe zu sein. Seit seiner Kindheit hatte ihn seine schöne Cousine verunsichert. Dass sie sich keinen Man und keine Kinder wünschte, verunsicherte ihn. Die meisten Frauen, die er kannte, Cousinen und Schwestern eingeschlossen, warteten, sobald sie ihre Ausbildung abgeschlossen hatten, mit angehaltenem Atem auf beides. Ima nicht.
    Ständig steckte sie im Schriftrollen-Archiv. Oder las in der Bibliothek in alten Tafeln. Sie hatte das Blut, die Veranlagung ihrer Vorfahren. Alter oder Gebrechlichkeit konnten ihr nichts anhaben. Ihr Geist war schärfer, klüger als je zuvor, und ihr Körper -
    In Hartas athletischem, kraftvollem Körper konnte Asshur sich völlig versenken, doch Imas Körper war der seiner Träume. Sie war nicht weniger groß als die meisten Männer, weniger ausladend als die meisten Frauen, und sie rasierte sich auch nicht den Kopf, um Perücken tragen zu können. Stattdessen fiel ihr das schwarze Haar wie Wasser über Schultern und Rücken. Ihre Augenwinkel waren von dem jahrzehntelangem Blinzeln gegen die Sonne gefurcht, doch die Augen selbst waren dunkel und lagen hinter dichten Wimpern. Ihr Mund war breit, aber dünnlippig, ihr Gesicht scharf an Kinn und Nase. Die hoffnungslos altmodischen dünnen Brauen stiegen steil an, was ihr einen ständig überraschten Ausdruck verlieh.
    »Wie geht es dir, Asshur?«, fragte sie. Sie war umgeben von Tafeln, fast wie ein ramponierter Schlitten, der am Unfallort seine Ladung verstreut hatte. Wie sie so im Schneidersitz auf ihrem Stuhl saß, einen Bronze-Trinkhalm in der Nähe, über den sie sich jederzeit beugen konnte, erinnerte sie ihn an eine Raubkatze. Die Falten zwischen ihren Brauen - »Falten der Entschlossenheit« nannte sie der Seher, der in Gesichtern las -hatten sich

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