Die Händlerin von Babylon
Ägypten bereits existiert. Eines Tages wird hier Babylon entstehen, doch wie viele Jahrtausende bis dahin noch vergehen, weiß ich nicht.«
»Alle reden hier von der Großen Flut - meinen sie Noah damit?«
»Nein, einen Mann namens Ziusudra, und in der Geschichte geht es um mehrere Götter und um die Unsterblichkeit. Noah dagegen betrinkt sich einfach nur und wird von seinen Söhnen gedemütigt.« Cheftu überlegte. »Eine andere Geschichte. Die Namen ähneln sich nicht mal.«
Nach einer Weile fuhr er fort: »So viel Kidu auch weiß, so viel weiß ich nicht mehr. So als wäre in meinem Geist nicht genug Platz für unser vereintes Wissen und als hätte ich einen Haufen von meinem verloren, um Platz für seines zu machen.«
»Du kannst dich nicht an die Bibel erinnern?«
»Nicht genau. Ich habe die Fähigkeit verloren, alles im Gedächtnis zu behalten, was ich irgendwann mal geschrieben sah.«
»Dann hast du beim Körperwechsel dein fotografisches Gedächtnis verloren«, fasste sie zusammen. »Das ist ... eigenartig, würde ich vermuten.«
Er drückte sie an sich. Der Stufentempel von Uruk erhob sich direkt ihnen gegenüber. Bis dato hatte noch kein Steuereintrei-ber ihren Weg gekreuzt. »Das Abendessen soll ein großer Empfang werden«, sagte er. »Möchtest du vorher noch baden?«
Sie schlang den Arm um seine Taille. »Allein? Oder in Gesellschaft?«
»Chérie, wenn du mich nur berührst, werde ich zum Tier«, knurrte er. »Aber wir müssen etwas besprechen.«
Sie wusste, was jetzt kommen würde. Auf ihr Nicken hin gingen sie zu zwei Stühlen und setzten sich einander gegenüber. Cheftu beugte sich vor und nahm ihre Hand in seine beiden. »Es ist schon spät im Jahr, Sommer oder Frühherbst.«
»Ja.«
»Der Dezember, der 23. Dezember rückt näher.«
»Wie jedes Jahr.«
Ihr Unernst trug ihr einen tadelnden Blick ein. Chloe zwang ihr Gesicht wieder in eine halbwegs gesetzte Miene. »Was willst du mir damit sagen?«
»Ich ... o je.« Cheftu hielt inne und schüttelte den Kopf. »Ich glaube, das kommt gar nicht von dem Wesen, dessen Körper ich jetzt bewohne, sondern ist einfach unausweichlich.« Er sah sie an. »Ich will dich immer nur lieben. Ich will dich auf jede nur erdenkliche Weise besitzen, dich meinen Wünschen beugen -«
Chloe konnte kaum mehr denken, so erregten sie seine Worte.
»- dir mein Kind einpflanzen. Unser Kind«, verbesserte er.
Schweigen. Nicht verlegen, sondern schwer beladen.
»Das war, wie wir inzwischen beide wissen, bis zu diesem Zeitpunkt nicht möglich. Du, ich, unsere Verbindung, die Zeit, es war uns einfach nicht bestimmt, Eltern zu werden, nicht wahr?«
»Wohl wahr.« Eine Ur-Phrase, die ausgesprochen nützlich war. »Damit hast du Recht.«
»Inzwischen stecken wir beide in neuen Hüllen, und bevor wir -«
Sie sah ihn an. Hinter seiner Mädchenschwarm-Fassade war er immer noch ihr ehrsamer, präziser, gefühlvoller und gottes-fürchtiger Gemahl geblieben. »Wenn ich schwanger werde, sitzen wir hier fest, und nun willst du wissen, ob das in Ordnung ist. Andernfalls ... werden wir zukünftig im Stockbett schlafen?«, fragte sie.
»Ich habe dich fast verstanden«, antwortete er in seinem französisch klingenden Englisch. »Aber ... was ist Stockbett? In deiner Muttersprache kann ich dir nicht folgen.«
In die ich regelmäßig zurückfalle, wenn ich nervös bin, dachte sie. Selbst nachdem ich seit sieben Jahren nicht mehr in den Vereinigten Staaten gelebt habe. »Ich will dir nur sagen, dass es egal ist -«
»Ich möchte nicht, dass du das Gefühl hast, hier gefangen zu sein. Erinnerst du dich an Jerusalem?«
Mit einem schmerzhaften Stich erinnerte sich Chloe, wie sie allein am Brunnen gestanden und dem Getuschel gelauscht hatte, dass Gott sie nicht gesegnet habe, dass er sie unfruchtbar gemacht hatte. Sie musste daran denken, wie eine Freundin nach der anderen schwanger geworden war, während ihr Bauch flach geblieben war. Die Rastlosigkeit, die Chloe empfunden hatte, wenn sie - allein - durch die Straßen der erblühenden Stadt gewandert war. Das Leben einer Frau sollte nicht danach beurteilt werden, ob sie Mutter geworden ist oder nicht, hatte sie sich gewehrt.
Doch damit hatte sie das Geflüster nicht ersticken können . was hat sie wohl angestellt, dass Gott sie so geschlagen hat? Ob sich der gute Cheftu eine zweite Frau nehmen wird? Wir wollen sie lieber nicht einladen, sie hat ja keine Ahnung, wovon wir reden . Gott hat sie zurückgewiesen.
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