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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Botschaften in den Himmeln; sah er da etwa einen neuen Stern?
    »Ich bin keine Hure«, protestierte sie. »Wirf mich nicht mit
    den Frauen in einen Topf, die im Tempel arbeiten.«
    »Stimmt.« Endlich sah Ezzi die Frau an, die ihn zur Welt gebracht hatte. »Die tun es für die Göttin. Du hingegen tust es -«
    »Schweig, Junge«, fuhr sie ihm über den Mund. »Deine noble Ausbildung im Haus der Tafel hast du nur mir zu verdanken, weil ich mich den Männern für Geld hingebe.«
    »Und weil du dich den richtigen Männern hingibst«, warf er ein. Nie würde er den Spott der anderen Jungen im Haus der Tafel vergessen, dass seine Noten nur so gut seien, weil der Ältere Bruder, der ihre Arbeiten beurteilte, gern im Haus am Krummen Weg zu Gast war.
    Seine Mutter hatte eine der angesehensten Adressen in Ur in eine schmierige Wohnstatt für Esel aller Art verwandelt.
    Sie rückte ihre Perücke gerade und zurrte die Schärpe fest, damit ihre Taille schmaler und ihr Busen größer wirkte. Er wusste genau, dass sie sich etwas Ruß ins Dekollete schmierte, weil auf diese Weise der Spalt zwischen ihren Brüsten im Feuerschein der Taverne tiefer und verlockender schien. Mit den gleichen dunklen Schatten glättete sie auch ihr Kinn um Jahre. Ihr Geheimnis bestand darin, nie einem Freier bei Tageslicht gegenüberzutreten.
    Bestimmt wunderten die sich öfter, wie der Ruß an ihre Hände oder Kleider gekommen war. Ezzi war das stets ein Rätsel gewesen. »Nimmst du heute Nacht ein Zimmer in der Taverne?« Den Rest der Frage konnte er unausgesprochen lassen: Oder bringst du deine Kunden mit heim. Hoffentlich nicht; bei ihrem Geschrei bekam er kein Auge zu.
    Eventuell war ihr Beruf der wahre Grund dafür, dass er Sterndeuter geworden war. Als Kind war er jede Nacht die ganze Nacht durch wach geblieben und allabendlich vor den Geräuschen seiner Mutter aufs Dach geflohen. Dort hatte er sich die Zeit damit vertreiben müssen, auf die flackernden Lampen vor dem Tempel oder auf den Nachtwächter bei seinem Gang durch die Straßen zu starren. Oder in den Nachthimmel.
    »Mir ist das egal.« Ezzi stand auf und fegte mögliche ver-sprenkelte Brotkrumen von seinem Gewand, das ihn als Schul-absolventen, als »Alten Knaben« auswies. »Ich bin im Tempel und bespreche die Sterne mit dem -«
    Sie schnaubte. »Pass auf der Straße auf.« Dann kam sie zu ihm und küsste ihn auf den Kopf. Er zuckte zurück; ihre angemalten Lippen hatten schon Tausende von Männern geküsst, und bei der Vorstellung, nur ein weiterer Mann für sie zu sein, kribbelte seine Haut vor Ekel.
    Seine Reaktion ließ sie erstarren. Sie wusste, was er empfand. In kerzengerader Haltung durchquerte seine Mutter Ulu den Hof, huschte aus der Tür und zog sie leise hinter sich ins Schloss.
    Ezzi schaute ihr kurz nach und spielte mit dem Gedanken, ihr auf die Straße nachzulaufen, um sie noch einmal zu umarmen. Dass sie in diesem zweistöckigen Haus lebten, dass er eine so gute Ausbildung bekommen hatte und dass sie so gut speisten, verdankte er schließlich -
    Seine Einwände überzeugten ihn selbst nicht. In Wahrheit lebten sie hier, weil sie viel zu flittchenhaft war, um einem einzigen Mann treu zu bleiben; nur darum hatte sie sich von Ezzis Vater scheiden lassen und ernährte ihren Sohn seither auf jene Weise, die ihr ohnehin die liebste war: auf dem Rücken liegend.
    Dafür sollte ihm mindestens eine Kupferwanne zustehen.
    Der Himmel rief ihn; war das ein neuer Stern? Wollten ihn die Götter etwa mit seiner eigenen Zukunft necken? Nur für alle Fälle goss Ezzi etwas Öl vor die Statue seines persönlichen Gottes und brachte ihm ein kurzes Bittgebet dar.
    Dann kämmte er den Rest des Öls in sein Haar; zog den gefransten Stoff gerade, den er über die Schulter und um die Brust geschlungen hatte; rückte den Korbhut zurecht, der den Bewohnern Urs verkündete, dass Ezzi zur obersten Klasse gehörte; wischte sich die Reste seiner Bauernmahlzeit aus dem Gesicht und machte sich durch die dunklen Straßen auf den Weg zum Stufentempel des Mondgottes Sin und seiner Gefährtin, der kapriziösen Göttin Inana.
    Guli zog die Tür ins Schloss, haderte kurz mit sich, ob er den Riegel vorlegen sollte, unterließ es schließlich aber. Falls jemand einbrach und seine gesamte Habe stahl, würde er einfach eine Klage gegen das Gemeinwesen einreichen, dass sein Eigentum unzureichend geschützt worden sei, und mit der ihm zugesprochenen Wiedergutmachung von vorn anfangen.
    Nichtsdestotrotz sollte er

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