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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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es den kriminellen Elementen nicht unnötig einfach machen. Er drückte probeweise die Klinke; sie klemmte, was fast so gut war wie ein Riegel, darum wandte er sich ab. Die Straße war dunkel. Sie war ständig dunkel. »Ich hätte mir keine schlechtere Lage aussuchen können«, murmelte er. »Wenn das noch lange so weitergeht, lande ich wieder in den Gärten.« Im selben Moment kam er an ein paar Palmen vorbei. Er spie in der Dunkelheit danach und sah sich gleich darauf verstohlen um, ob ihn auch niemand beobachtet hatte.
    Die Menschen in Ur waren verrückt nach Bäumen, nach Büschen und Pflanzen aller Art. Natürlich begriff auch er, dass sie die Stadt im Sommer kühlten. Gemüsebeete ließen sich im geschützten Schatten der Palmen wesentlich leichter pflegen. Er war kein Idiot.
    Nur hatte er bis vor kurzem zu jenen armen, unglückseligen Seelen gehört, die in den frühsten Doppelstunden, noch bevor die Sonne erwachte, Eselskot schleppen mussten, damit alles, was ohnehin schon grün war, üppig und in voller Blüte blieb. Er war unter jenen gewesen, die mit den Händen Bewässerungsgräben aushoben, bis die Nägel brachen und bluteten, und manchmal hatte er wochenlang Schlamm ausgespien und -geschnäuzt. Seine Kindheit als Sklave des Gemeinwesens hatte er damit zugebracht, die krummen Stämme hinaufzuklettern, damit das Gemeinwesen seine Datteln steuerfrei verhökern konnte.
    Er spuckte auf die nächste Palmengruppe.
    Dem verfluchten Lugal von Ur zufolge sollte in allen Ecken »ein grüner Fleck« zu sehen sein - und zwar in jeder Himmelsrichtung.
    Guli hatte zwar keine Beweise, aber er war überzeugt, dass die Familie des Lugal Palmen züchtete und an das Gemeinwesen verkaufte.
    »Diese Zeiten sind ein für allemal vorbei«, ermahnte er sich. »Du musst nur ein bisschen mehr verdienen, deine Schulden abzahlen und Acht geben, dass du nicht wieder vor Gericht landest.« Mit einem tiefen Atemzug bog er in die Tavernenstraße ein.
    Bier. Dunkel und hell, süß und herb, Frühstücksbier, Mittagsbier, Vesperbier und Bier für eine gute Nummer. Hier wurde alles serviert, und er wusste haargenau, was und warum er es wollte.
    »Guli!«, begrüßte ihn die Bierfrau. Er küsste sie lüstern und spürte ein sehnsüchtiges Ziehen, als er die säuerliche Maische auf ihren Lippen schmecken. »Wie grüßt der Tag dich?« Das Zwielicht war lang schon vorüber, es war tief in der Nacht.
    »Heute!«, sagte er, wobei er auf den Tisch aus gebrannten Lehmziegeln schlug. »Den heutigen Tag werden die Götter segnen!«
    »Hast sie wohl bestochen, wie?«, mischte sich Ge, der alte Fischer, ein.
    Guli lachte. »Gib mir dein bestes Frühstücksbier, altes Mädchen.« Er schaute zu dem Fischer hinüber. »Wie ist das Südmeer?«
    »Die Flut hat die Fische verwirrt, trotzdem hab ich ein paar Hundert gefangen.«
    Guli schlug den Alten auf den Rücken. »Dann schreibt mein Frühstück auf seine Rechnung!« Alle lachten, während Guli das Siegel auf seinem Krug erbrach, seinen Trinkhalm einführ-te und sich gemütlich zurücklehnte. Pass einfach auf, dass du in nichts reinrutschst, mahnte er sich. Keine Ränke, keine Pläne, keine Frauen.
    Kein Gefängnis mehr, keine Zwangsarbeit mehr, kein Ärger mehr.
    Richter Ningal hatte Guli gewarnt, wenn er noch einmal vor Gericht landen würde, wäre dies gewiss das letzte Mal. Guli schloss die Augen und konzentrierte sich darauf, die Gewürze und Maische des köstlichen Gebräus zu kosten. Bier war die einzige gute Tat der Götter der Menschheit gegenüber.
    Die Schöpfung eingeschlossen.
    Er wurde geküsst. »Diese Lippen würde ich überall erkennen«, sagte er.
    »Wie fast ganz Ur«, meldete sich der Fischer zu Wort. »Wir wollen auch geküsst werden.«
    Guli schlug die Augen auf und sah, wie sich Ulu rittlings auf den Fischer setzte, sodass ihr Mund eine Elle von seinem entfernt war.
    Je weiter sie sich vorbeugte, desto weiter stülpten sich die Lippen aus seinem bärtigen Gesicht. Die Spannung in der Taverne steigerte sich, bis niemand mehr trank, sondern alle mit offenem Mund Ulu beobachteten, den Kuss erwartend und heimlich wünschend, an Stelle des Fischers zu sein. Ulu küsste nur selten auf den Mund, aber wenn sie es tat, dann waren ihre Küsse fast besser als die unter dem Rock. Sie waren einzigartig.
    Und schmeckten normalerweise nach süßer Maische.
    Eine lange, rote Zunge schob sich aus ihrem Mund. Der alte Fischer riss beinahe sabbernd das Maul auf. Seine Augen waren so rund, dass er

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