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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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dass die Menschen vor der Sintflut viel länger gelebt haben, dass alle Menschen auf Erden von derselben Familie abstammen -« Sie seufzte. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«
    »Warum kannst du die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen und dich davon lösen?«
    »Weil ich Amerikanerin bin. Ich erwarte die sofortige Erfüllung meiner Wünsche und eine Antwort auf jede Frage.«
    Er sann noch über ihre Worte nach, als sie weitersprach.
    »Das ist natürlich übertrieben, aber es ist auch irgendwie wahr. Ich komme aus einer Welt, wo unser Bedürfnis nach greifbaren Antworten so übermächtig ist, dass wir ein ganzes System ausgeklügelt haben, um uns zu beweisen, dass wir genauso empfinden wie unsere Vorfahren. Wir sind nicht allein, versichern wir uns. Wir waren schon vorher da.«
    »Ein System?«
    »Die Archäologie. Und du bist schuld daran«, verkündete sie. »Oder zumindest Napoleon.«
    »Wenn ich so überlege, was du mir aus der Geschichte erzählt hast, dann ist Napoleon an allem Möglichen schuld«, entgegne-te Cheftu wegwerfend. »Was für eine Genugtuung erwartest du denn, Chérie? Welche Antworten werden dir wieder bewusst machen, wo oben und unten ist?«
    »Wie ist es möglich, dass du das nicht weißt? Wie ist es möglich, dass das an dir nicht zehrt? Ich verstehe dich nicht.«
    Seufzend setzte Cheftu sich auf und zog sie an seine Brust. »Wir sind uns ähnlich, das wissen wir, aber in mancher Hinsicht doch grundverschieden. Ich glaube, das hat etwas mit unserer Erziehung zu tun. Du musst dauernd kämpfen.« »Muss ich gar nicht.«
    Er lachte. »O doch. Gegen Unterdrückung, Institutionen, Ideologien, Schwierigkeiten. Ständig musst du gegen irgendetwas anrennen. Ich ... ich füge mich eher.«
    »Fatalist«, zischte sie ihn an. »Mein ganzes Leben habe ich dem Widerstand geleistet. Inshallah. So Gott will. Warum geben wir immer Gott die Schuld, wenn wir zu faul sind, uns zu verteidigen oder uns für etwas einzusetzen, das wir für richtig halten?«
    »Es ist gut, wenn ein einzelner Mensch wie du empfindet, denn dadurch kann er die Übrigen beflügeln und viel erreichen. Doch wenn alle so empfänden, würde das Chaos ausbrechen, Chérie. Irgendwann muss sich jeder damit abfinden, dass es Gegner gibt, gegen die man einfach nicht ankämpfen kann. Wer gegen Felsen anrennt, fügt nur sich selbst Wunden zu.«
    »Genau aus diesem Grund hat in Frankreich so lange die Aristokratie geherrscht«, fuhr sie ihn an.
    »Stimmt«, gab er zu. »Und darum fand ich Ägypten so erstaunlich. Dort konnte ein Mensch alles aus sich machen, ganz gleich, wo in der Hierarchie er geboren war.«
    »Die Gegend hier erinnert mich an die Vereinigten Staaten«, gestand sie. »Ob die Leute, die Menschen, eigentlich ewig wieder die gleichen Fehler machen müssen? Werden wir denn niemals lernen?«
    »Welche Lektion sollen wir deiner Ansicht nach denn lernen, Chloe? Was zehrt eigentlich so an dir?«
    »Wo oben und unten ist«, wiederholte sie und drehte sich dann zu ihm um. Seine Finger spielten in ihrem Haar, während sie weinte, schluchzte und ihrem namenlosen Peiniger zürnte. Cheftu hielt sie fassungslos fest.
    Er blickte hinaus in den Nachthimmel; ihm genügte das als Beweis. Die Himmel kündeten von einem wohlwollenden Gott, einem komplexen, unergründlichen Plan und einem Geist, der in künstlerischer, nein, der in jeder Hinsicht Gefallen an
    Schönheit, Organisation, Gerechtigkeit und Gnade fand. Das Allerbeste in Frau und Mann, gewährt von einem Schöpfer, in dem sich männliche und weibliche Gottheiten vereinten, der wahrhaftig allumfassend war.
    Cheftu fand diesen Gedanken ebenso verstörend wie beruhigend. Bin ich durch das Leben in diesen Epochen, in diesen Ländern, zum Heiden geworden? Oder bin ich endlich dazu übergegangen, das zu sehen, was wirklich da ist, statt nur das wahrzunehmen, was mir eingebläut wurde?
    Endlich war Chloe eingeschlafen. Er wiegte ihren Kopf und dankte le bon Dieu, bis er die orangefarbenen, bronzenen und blütenroten Streifen am Himmel erblickte, die in der Morgendämmerung das tiefe Blau vertrieben. Während er auf die schlafende Frau in seinen Armen hinabblickte, erkannte er, dass dies ein Moment der Vollkommenheit war. In diesem Moment war Cheftu eins mit sich selbst; eins mit seinem Gott, seiner Welt und seiner Gemahlin.

    »Wer viel Silber besitzt, mag sich glücklich preisen; wer viel Gerste besitzt, mag sieb glücklich preisen; doch wer gar nichts hat, mag

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