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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Hirn war immer noch das Wissen über Pflanzen, Tiere und ihr Verhalten gespeichert. Sie war das Mädchen aus den Marschen.
    Und das Marschmädchen war sie.
    So spät im Ernte jähr war das Wasser in den Marschen niedrig, darum wurden die Mashufs - wirklich sehr dünne Kanus -nur leicht beladen, damit sie gut zu ziehen waren. Chloe erinnerte sich kaum an Einzelheiten aus dem Leben des Marschmädchens, doch die Bilder waren stimmig. Eigentlich hatte sie nur Bilder und Gefühle.
    Ein Reiher setzte zum Flug an, das Zwielicht im Rücken, als Bestätigung, dass die Sonne am Morgen wieder aufgehen würde. Obwohl, schoss es Chloe durch den Kopf, die Leute hier eigentlich froh über die Hitzepause sein könnten, wenn die Sonne mal einen oder zwei Tage aussetzen würde.
    Kein besonders gelungener Witz, wenn sie daran dachte, wie man hier auf eine Sonnenfinsternis reagierte.
    Jemand war unter dem Namen Puabi begraben worden, was auch als Shubab gelesen werden konnte.
    Chloe schob ihr Mashuf durch das hohe Gras und das flache Wasser, auf Vögel, Fische, Krokodile und andere Amphibien achtend, die sie in keinem ihrer diversen Leben hätte benennen können. Es war ein friedvoller, um nicht zu sagen totenstiller Ort.
    In der Ferne konnte sie die Hütten der Marschbewohner stehen sehen. Aus zum Halbrund gebogenen und zusammengebundenen Gerten erbaut, sahen sie fast aus wie Gewächshäuser in den Vereinigten Staaten der Moderne. Oder wie winzige Flugzeug-Hangars. Die Seitenflächen waren mit geflochtenen Mustern verziert, wobei jede Familie ein anderes Muster verwendete. Welches wohl das Marschmädchen gehabt hat, überlegte Chloe. Ob ich wohl entdecken würde, dass ich das Wissen in mir trage, wenn ich mir ein paar Gerten schnappen und zu flechten beginnen würde?
    Wasserbüffel stapften durch die Sümpfe. Mütter, die kleinen Kinder vor den Busen gebunden, wuschen ihre Wäsche im Wasser und verfolgten mit Blicken die vorbeigleitende Kette von Mashufs.
    Wie viele Kilometer wird das noch so gehen?, fragte sich Chloe. Und schob weiter.
    Das Dorf lag im matten Zwielicht; obwohl Chloe das nur an der Palme ablesen konnte, die sich über ihr Weidenhaus beugte. Cheftu schlang die Arme um ihre Taille, während sie sich in der offenen Tür niederließen. »Du warst so still.«
    »In zwei getrennten Booten war nicht viel Gelegenheit zum Reden.«
    »Kommt dein Marschmädchen von hier, aus der Gegend, durch die wir ziehen?«
    »Nein«, antwortete Chloe, die Hände auf seine Unterarme legend. »Sie kommt aus einem Dorf zwischen Uruk und Ur. Im Westen oder Norden, glaube ich.«
    Die Rinde der Palme schien erst mit Gold, dann lachsfarben, dann pflaumenfarben überzogen, bis sich schließlich die Nacht herabgesenkt hatte. »Ich dachte immer, die Abenddämmerung würde das Ende des Tages bezeichnen«, sagte sie.
    »Für uns ist das so.«
    »Kommt das daher, dass unser Denken auf geraden Linien beruht? Wenn dies A ist, dann muss daraus B folgen?«
    Er küsste sie auf die Stirn. »Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht.«
    »Ich auch nicht, bis mir aufging, wie viel Sicherheit es gibt, wenn man die Abenddämmerung als Beginn und nicht als Abschluss betrachtet.«
    »Geschickt kombiniert.« Cheftu küsste sie auf die Wange.
    »Ganz unbeabsichtigt, aber trotzdem vielen Dank.« Sie schaute nicht mehr nach draußen, sondern nach innen. Irgendwie schien sie die Vorgänge in ihrem Geist viel genauer nachvollziehen zu können als früher. Wie konnte sie so nahtlos von ihrem Dasein als Marschmädchen zu ihrem modernen Ich wechseln? Welcher Mechanismus schaltete von der intellektuellen Auseinandersetzung mit Politik und Religion um auf das Wissen, welche Vögel sich roh essen ließen und welche nicht? Kleinigkeiten wie das Wissen, welche Pflanzen giftig waren, wie man eine Palme erklomm, woran man die Jahreszeiten erkannte.
    Dinge, ohne die sie trotz ihres durchtrainierten Körpers, ihres neuzeitlichen Informationsvorsprungs und ihres technischen Wissens elend zugrunde gegangen wäre. Wie wohl all diese geistigen Rädchen miteinander verzahnt waren?
    »Willst du essen?«, fragte Cheftu.
    »Gefällt dir dieses Leben?«, fragte sie ihn. »So als wohlhabender Vagabund, der verehrt und vergöttert wird, egal wo er auftaucht?«
    »In meinem Land haben die Reichen und Mächtigen immer so gelebt«, antwortete er. »Diese Menschen waren allein darauf aus, sich zu vergnügen.«
    »Macht es dich nervös, so träge zu sein?«
    Er lachte, worauf sie sich zu ihm

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