Die Händlerin von Babylon
umdrehte. Sein Gesicht war atemberaubend, und im Moment war er auch noch von Kopf bis Fuß in Gold getaucht. »Ich habe mich schnell daran gewöhnt, reich und faul zu sein.«
Sie gaben sich einen kurzen Kuss und eilten dann los, um mit den anderen zu essen.
»Wasserstoffperoxid.«
Cheftu sah sie an, als hätte sie eine Gotteslästerung ausgestoßen.
»Das war das Zeug, ich kann gar nicht glauben, dass mir das erst jetzt wieder eingefallen ist.«
»Was redest du da?«
Die Hitze und der endlose Marsch hatten bei beiden die Geduld überstrapaziert. Wieder waren sie in Richtung Norden unterwegs; und da der Strom nach Süden floss, ging es wieder zu Fuß weiter. Lange Tagesmärsche, weil Nimrod befürchtete, dass ihnen die Zeit, Lehmziegel zu trocknen, knapp werden könnte, bevor die Regenzeit ihr neues, noch nicht benanntes Siedlungsgebiet heimsuchte.
Chloe konnte sich kaum mehr erinnern, wie sich Regen anfühlte. Kühl und feucht? Unmöglich. »In der Höhle, bei dem Tor zur Unterwelt. Irgendwo da unten gab es eine Quelle mit Wasserstoffperoxid.«
Cheftu drehte sich mit weit aufgerissenen Augen zu ihr um. »Sie hat geschäumt?«
Sie nickte.
»Und war bitterkalt?«
Sie nickte.
Er fing an zu lachen, nach Luft schnappend, hielt sich den Bauch, klatschte sich auf die Schenkel - bis sie ihn ins Wasser schubste. Immer noch lachend, tauchte er wieder auf. Dann erklomm er, leise glucksend, das Ufer. Die Hände in die Hüften gestemmt, erwartete Chloe ihn, gegen ein Grinsen ankämpfend.
»Als Nächstes erzählst du mir noch, dass du zwei Tafeln gesehen hast, eine aus Ton und eine aus Stein.«
»Nein, das werde ich dir nicht erzählen.« Obwohl es stimmte.
Er lachte wieder. Schließlich setzte sie sich hin. Ganz offenbar würden sie vorerst nicht weiterziehen. Die Schafe knabberten am Gras und glotzten Cheftu mit großen braunen Augen an.
Dann erstarrte er. Unvermittelt. »Wenn das wahr ist«, stellte er fest, »dann ist auch das andere wahr.«
»Welches andere?«
»Dass Ningal von Ur dreihundert Jahre alt ist.«
»Darauf zu beharren, dass es unmöglich ist, ändert nichts daran, dass es sehr wohl möglich sein könnte«, betonte Cheftu, als sie weitergingen. »Praktisch überall hat man uns Geschichten von Menschen erzählt, die so lang gelebt haben, dass es uns erscheint -«
»Wie eine Lüge?«, ergänzte Chloe.
»Trotzdem sind die Geschichten stimmig. Ich kann das nicht einfach so abtun.«
Chloe scheuchte ein Schaf mit einem Klatsch auf den Rücken zurück in die Herde und sah stirnrunzelnd zu Boden. »Ningal? Du bist ihm selbst begegnet, Cheftu. Dreihundert Jahre alt? Das ist doch nicht möglich!«
»Wenn ich mich recht entsinne«, erwiderte er über die Schulter hinweg, »hast du mich selbst mal als Horatio bezeichnet und mir erklärt, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gebe, als ich mir erträumen würde.«
»Ich kann es nicht ausstehen, wenn du mich zitierst«, brum-melte sie. »Vor allem, wenn ich Shakespeare verunstalte.«
»Warum würde es dich so stören, wenn es wahr wäre, Chérie?«
Dieser Gedanke beschäftigte sie mindestens eine Stunde lang.
Mittags machten sie Rast, stellten ein Zelt auf, in dessen Schatten sie schlummern konnten, aßen schweigend und nickten dann ein. Als Cheftu aufwachte, starrte Chloe mit ernster Miene in den Fluss. »Ich weiß nicht mehr, wo oben und unten ist«, bekannte sie.
Er deutete erst zum Himmel, dann auf den Boden.
Sie lachte nicht.
»Musst du darauf eine Antwort finden?«, fragte er.
Sie rollten das Zelt ein, trieben die Schafe zusammen und wanderten weiter. Der Flusskanal, dem sie folgten, verlief in Richtung Osten, den Bergen zu, doch sie würden weit davor anhalten.
Das Zwielicht senkte sich, und sie schlugen erneut ihr Zelt auf. Irgendwo hinter ihnen ließen sich die anderen UrEinwohner mit ihren Herden und Kindern nieder, entzündeten Lagerfeuer und brieten Fische. Cheftu kochte, während Chloe nachdachte. Sie dachte während des gesamten Essens nach, das sie kaum anrührte, und starrte dann in den Himmel, bis er sie an der Hand nahm und ins Zelt führte.
Mit zärtlichen Küssen und Berührungen liebte er sie. Ruhig und sanft, bis ihr das Einschlafen leicht fiel. Als sie zu reden anfing, lag er bereits in tiefem Schlummer.
»Ja.«
»Ja was?«, antwortete er schlaftrunken.
»Ich muss wissen, wo oben und unten ist, ich muss wissen, was ich glauben soll. Diese neuen Erkenntnisse, diese Geschichten, die überall verbreitete Überzeugung,
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