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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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fassen konnte. Nach einigen weiteren Versuchen schaffte er es, mit der Nase die Knie zu berühren. Die langen, festen Muskeln in seinem Rücken, in Armen und Beinen lockerten sich, doch es dauerte länger als sonst. Er war noch über seine Beine gebeugt, als er die Bewegung wahrnahm.
    Flink und fast lautlos huschte sie barfuß quer über den Hof. Was sie mitzunehmen beschlossen hatte, hatte sie zu einem Bündel geschnürt, das sie auf dem Kopf trug. Gold blitzte auf -sie presste die gekauften Armreifen fest gegen ihren Unterarm, damit sie nicht klimperten.
    Er sah sie eindringlich an.
    Sie erstarrte in der Bewegung, ging dann in die Hocke, drehte sich langsam um und spähte in die dunkelsten Ecken des Hofes. Sie spürte seinen Blick. Sie fing ihn auf. Unwillkürlich schlug Chloe die Augen nieder, aber sie wandte sich nicht zur Tür. Stattdessen stellte sie ihr Bündel ab und ließ ihre Armreifen los. Mit einem melodischen Klingeln rutschten sie an ihrem Arm hinab. Mit dem ausgreifenden Gang der Marschfrauen, die Schultern durchgestreckt, Busen und Kinn vorgereckt, mit mal nach links, mal nach rechts schaukelnden Hüften kam sie auf ihn zu. Die Haare fielen ihr bis über die Taille und bedeckten sie wie ein Umhang. Bei jedem Schritt war ein leises Klimpern zu hören. Dann ließ sie sich in einer flüssigen Bewegung im Schneidersitz nieder, ein schwarzer Fleck in der Nacht, einmal abgesehen vom Glitzern ihrer Armbänder und ihren weiß leuchtenden Zähnen und Augen.
    »Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mich schon jemals so gefühlt hätte«, erklärte sie ihm. »In dem Wissen, dass die Menschen mich ausgelacht haben, und zwar nicht, weil ich mich für etwas eingesetzt hätte, an das sie nicht glaubten, oder für irgendeine große Sache, sondern einfach weil ich mich dumm benommen habe. Unwissend. Beschränkt.« Sie stocherte vor ihren Füßen im Dreck. »Nein, beschränkt nicht, denn be-schränkt bedeutet, dass mir die geistigen Fähigkeiten fehlen würden. Das entspricht nicht der Wahrheit. Über die geistigen Fähigkeiten verfüge ich wohl. Ich ... weiß es einfach nicht.«
    »Was weißt du einfach nicht?«, fragte er leise, inzwischen ebenfalls im Schneidersitz.
    »Ich weiß überhaupt nichts mehr. Welche Worte sie verwendet hatten, welche Begriffe, welche Vorstellungen. Es kommt mir so vor, als könnte ich mich beinahe daran erinnern, aber irgendwie hat sich alles verschoben, es ist anders, und ich schaffe es nicht, die Verbindung herzustellen. Als er, als der Lugal fragte, wie wir unsere Felder ausmessen, da wusste ich -« Sie hob den Arm ans Haar und schob eine schwarze Strähne hinter ihr Ohr, wobei eine leichte Parfümschwade zu ihm herüberwehte. Granatapfel und Sesam, erkannte er. Eigentlich kein Parfüm. Eher eine Duftnote, wie die Lauchzwiebeln im Wein.
    »Da wusstest du nicht mehr, wie ihr zählt?«, schlug er vor.
    »Nein, so ist es nicht. Wenn ich etwas nicht weiß, dann ist mein Kopf einfach leer. Aber in diesem Moment kamen zu viele Bilder.«
    »Was für Bilder?«
    Sie zeichnete ein paar Figuren auf den Boden - 3, 4, 5, 6, 7 -, aber sie malte sie mit dem Finger und setzte die Zeichen waagerecht und rückwärts. Ihr Gekritzel hatte nichts mit dem Schreiben auf Lehm zu tun, wo die Zeichen vertikal und korrekt von rechts nach links gesetzt wurden. Was sie da zeichnete, waren nicht einmal Piktogramme wie aus alten Zeiten, es waren einfach ... geschwungene Linien. »Was sind das für Bilder?«, fragte er.
    »Es sind keine Bilder, jedenfalls nicht wirklich. Aber sie sind ein Teil davon, so wie hier.«
    Sie rutschte zurück und gab damit eine größere Staubfläche frei. Mit ruhiger Hand malte sie immer mehr unverständliche Zeichen. »ROLLSPLITT«, »NICHT HUPEN, FAHRER
    SCHLÄFT«, »ZUTRITT NICHT UNTER 18 JAHREN!«
    »Hat man vielleicht so in deinem Dorf gezählt?«
    »Was hätten dann diese Zeichen zu bedeuten?« Wieder begann sie zu malen, diesmal jedoch gerade Linien, die sich teilweise oben oder unten trafen und manchmal auch schnitten. I, II, III, IV, V. »Das sind keine Bewässerungsgräben oder so. Diese Bilder kamen mir in den Sinn, als er mir zu zählen befahl.« Sie sah zu ihm auf. »Ich verstehe das einfach nicht.«
    Nigal betrachtete die Markierungen, die sie gesetzt hatte. Beim Zeichnen hatte sich ihre Hand ganz flüssig bewegt, genau wie zuvor, als sie den Vertrag über ihre Schafe unterschrieben hatte. »Wie hast du den Vertrag noch mal unterzeichnet?«
    »Er hat gesagt, ich soll

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